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Kommunalpolitik
Coronaregeln in den Kommunen: Jeder brät seine eigene Hygienewurst

Als der Kreistag Ende Oktober im Ludwigsburger Forum zusammenkommt, tragen nur wenige Räte Masken.Archivfoto: Andreas Becker
Als der Kreistag Ende Oktober im Ludwigsburger Forum zusammenkommt, tragen nur wenige Räte Masken. Foto: Andreas Becker
2G, 3G, Maskenpflicht? Regeln, die das öffentliche Leben in der vierten Pandemiewelle bestimmen, erspart die Coronaverordnung des Landes der Politik und ihren Gremien. Sogar das Publikum ist von manchen Bestimmungen befreit, an die es sich beim Besuch einer Gaststätte oder des Kinos zu halten hat. Allerdings muss das Volk Maske tragen – im Gegensatz zu seinen Vertretern,

Kreis Ludwigsburg/Stuttgart. Im Verkehrsausschuss des Stuttgarter Regionalverbandes fallen am vergangenen Mittwoch zuerst die Masken und dann die Hemmungen. Die CDU sieht in den Landräten der Region willfährige Steuereintreiber des Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne), weil sie sich mit der Stadt Stuttgart an einem Pilotprojekt zur Erhebung einer Nahverkehrsabgabe beteiligen wollen. Die Freien Wähler vergleichen den Minister mit Kaiser Wilhelm II., der einst zur Wehrertüchtigung seines Volkes eine Schaumweinsteuer eingeführt hatte.

Auf einen Mund-Nasen-Schutz verzichten in der König-Karl-Halle des Hauses der Wirtschaft nicht nur nahezu alle Sitzungsteilnehmer, sondern auch die meisten Zuschauer. Sie werden aber immerhin von Verbandspräsident Thomas Bopp (CDU) aufgefordert, Abstand voneinander zu halten. Bopp stützt sein Vorgehen auf die aktuelle Coronaverordnung des Landes, wonach bei politischen Veranstaltungen Masken fallen dürften – bei den Besucher aber eigentlich nicht.

Für politische Gremien gelte so etwas wie eine „Eigenverantwortung“, wie das Korntal-Münchingens Bürgermeister Joachim Wolf in der Gemeinderatssitzung formulierte. Er könne das Maskentragen den Stadträten nicht vorschreiben – nur bitten, wie er das zuvor aufgrund der Inzidenzen getan hat, und auf eine Entspannung zur nächsten Sitzung in der größeren Stadthalle hofft. Zwei Tage zuvor hatten am selben Ort noch andere Regeln gegolten: Am Eingang zum Widdumhof in Münchingen wurden die 3G-Nachweise kontrolliert, für alle galt Maskenpflicht. Doch die Vortragsreihe zu Gewerbegebieten ist keine politische Veranstaltung wie im Eingangsbeispiel oder wie die eigentlich für Ende November geplante Einwohnerversammlung in Korntal, die nun doch abgesagt wurde.

„Es bestehen Ausnahmeregelungen für Veranstaltungen der Exekutive, Legislative und Judikative sowie der Selbstverwaltung, um deren Funktionsfähigkeit zu gewährleisten“, bestätigt ein Sprecher des Sozialministeriums auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Ausnahme von der Maskenpflicht gelte „aus verfassungsrechtlichen Gründen“ aber tatsächlich nur für die Beteiligten und nicht für die Besucher, da diese „keine privilegierte Funktion innehaben“. So schreibt es die Coronaverordnung vor. Laut dieser sind bei solchen Veranstaltungen auch keine Testnachweise erforderlich. Selbst in der Alarmstufe haben Menschen Zutritt, die nicht gegen das Coronavirus immunisiert sind. Eine Änderung der Verordnung ist laut dem Ministeriumssprecher derzeit in Abstimmung.

Im Pleidelsheimer Gemeinderat wurde am Donnerstagabend nicht lange über Maskentragen diskutiert, sondern einfach gemacht. Bürgermeister Ralf Trettner gab in der Festhalle die Marschrichtung vor: Bürger, Verwaltungsmitarbeiter und Gemeinderäte trugen während der kompletten Sitzung Maske – nur wer sprach, legte das Utensil kurz ab. Auch zwischen den Einzeltischen in der Festhalle waren größere Abstände als sonst – und auf jedem Tisch lag eine FFP2-Maske (auch für die Presse).

Dass es noch stringenter geht, zeigt die Gemeinde Schwieberdingen. Bei Ratssitzungen marschiert regelmäßig ein Schnelltestteam auf und untersucht selbst Geimpfte und Genesene vorab auf Corona. Das Angebot ist zwar freiwillig, allerdings machen davon fast alle Gebrauch – vom Bürgermeister über Gemeinderäte bis zu Besuchern. Ohne Maske ist nur, wer gerade einen Redebeitrag hält. Schwieberdingen weiß, wie es ist, plötzlich Hotspot zu sein. Im Frühjahr schnellte die Inzidenz auf mehr als 400 hoch. Damals war das noch ungewöhnlich.

Auch in Großbottwar besteht vor den Sitzungen die Möglichkeit, sich testen zu lassen – von einem Team des Deutschen Roten Kreuzes. „Der Gemeinderat hat eine Vorbildfunktion“, begründet Bürgermeister Ralf Zimmermann, warum auch die Mitglieder von Gremium und Verwaltung Masken tragen. „Was wir von anderen verlangen, sollten wir auch selbst tun.“ Dass die Coronaverordnung einen Unterschied zwischen Beteiligten und Besuchern macht, findet er „nicht wirklich schlüssig“. Wobei die Masken auch mit Nachteilen verbunden seien: „Die Diskussion ist etwas schwerfälliger.“ Aber wenn Schüler sie nun wieder tragen müssen, sollte das laut dem Rathauschef auch für den Gemeinderat machbar sein.

Die Gemeinde Affalterbach passt ihre Regeln an die jeweilige Coronalage an. „Wir werden wieder die Maskenpflicht am Sitzungstisch einführen“, sagt Bürgermeister Steffen Döttinger im Hinblick auf den Gemeinderat diese Woche. Davon ausgenommen sei nur, wer etwas trinke, esse – oder gerade rede. „Sonst versteht man sich ja gar nicht richtig.“ Nachdem man die Sitzungen erst kürzlich zurück ins Rathaus verlagert hatte, geht es nun wieder in die Kelter. Dort sitzen die Besucher auf der Empore und können so mehr Abstand zum Gremium halten. Über den Impfstatus der Mitglieder ist die Verwaltung laut dem Bürgermeister informiert und lässt zudem jedem vor der Sitzung einen Schnelltest zukommen.

Die Steinheimer Gemeinderäte sind trotz der hohen Inzidenzen von der Blankensteinhalle wieder in den kleineren Bürgersaal umgezogen. Auch dort ließen sich die geforderten Abstände einhalten, zudem tragen alle Räte freiwillig eine Maske. Die Zuhörer müssen auf der Empore Platz nehmen. Der Aufwand in der Blankensteinhalle sei nicht mehr zu leisten gewesen, da die Halle auch für den Schulsport genutzt wird, so Bürgermeister Thomas Winterhalter. Man habe die Lüftung aber optimiert, die sich bei einem zu hohen CO-Gehalt in der Luft automatisch einschalte.

Rolle rückwärts in Marbach: Die städtischen Gremien tagen seit fast eineinhalb Jahren im großen Saal der Stadthalle, in der Sitzungsrunde im Oktober startete die Verwaltung den Versuch, wenigstens mit den Ausschüssen wieder in den Bürgersaal des Rathauses zurückzukehren. Das klappte genau einmal. Seit Anfang der vergangenen Woche steht fest, dass die eigens für die Trennung der Plätze im Bürgersaal angeschafften Plexiglasscheiben erstmal ausgedient haben – auch die Ausschüsse kommen ab sofort wieder in der Stadthalle zusammen. An den Plätzen tragen die Stadträte und Verwaltungsmitarbeiter nun auch wieder Maske; darauf war seit Sommer verzichtet worden. Bei der Sitzung des Gemeinderats am vergangenen Donnerstag sagte Bürgermeister Jan Trost, dies sei „ein wichtiges Zeichen – auch dafür, dass wir keine Sonderrechte haben“. Er erinnerte zudem an die „Vorbildfunktion“ der Mandatsträger.