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Natur
Der Spiderman aus Bissingen: Udo Geiger sammelt Spinnen

Udo Geiger vor seinen Terrarien. In der Hand hält er die gehäutete Hülle einer Grammostola pulchra. Fotos: Alfred Drossel
Udo Geiger vor seinen Terrarien. In der Hand hält er die gehäutete Hülle einer Grammostola pulchra. Foto: Alfred Drossel
Fridoline sorgte vergangenen Monat für große Aufregung in einem Supermarkt – der Ausflug scheint der werdenden Mutter nicht geschadet zu haben...
Fridoline sorgte vergangenen Monat für große Aufregung in einem Supermarkt – der Ausflug scheint der werdenden Mutter nicht geschadet zu haben...
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Der Experte der Feuerwehr für Spinnen beherbergt nun auch „Fridoline“, die in einem Ludwigsburger Supermarkt für Aufregung sorgte – und Mutter wird.

Bietigheim-Bissingen. Udo Geigers Haustiere sind nicht jedermanns Sache – auch wenn gilt: „Vogelspinnen sind sehr genügsam“, sagt der 55-Jährige aus Bissingen. Einmal in der Woche bekommen die Tiere eine Schale mit Wasser. Und alle zwei Wochen kriegen sie ihr Futter vorgesetzt: ein Heimchen, eine Wanderheuschrecke oder eine Kakerlake. Udo Geiger ist Spinnensammler und inzwischen so etwas wie der Spiderman der Feuerwehr. Zuletzt hat er mit seinem Wissen die Ludwigsburger Wehr beim Auffinden einer Spinne in einem Eglosheimer Supermarkt unterstützt. Fridoline wird die harmlose, aus Südamerika stammende Riesenkrabbenspinne genannt, die jetzt in der Sammlung des Berufsfeuerwehrmanns daheim ist – und die einen Kokon gebildet hat und Nachwuchs erwartet.

Im Großraum Stuttgart gibt es europaweit die meisten Sammler der achtbeinigen Krabbeltiere. Wahrscheinlich, weil es in Marbach eine von einem Stuttgarter Verein veranstaltete internationale Spinnenbörse gegeben hat. Der Verein steht allerdings vor der Auflösung. Von der Börse, aus Tierheimen, aus Zoogeschäften oder von Züchtern hat Udo Geiger seine Spinnen, die er zu Hause in kleinen Terrarien einzeln hält. Einen sozialen Kontakt zu den Spinnen kann er nicht aufbauen. Viele leben versteckt und sind selten zu sehen. Eine spannende Sache ist das Sammeln für ihn dennoch.

Seine erste Spinne hat er 1983 bekommen. Es war eine Grammostola rosea. Später kamen dann immer mehr Arten dazu. Es gebe bodenbewohnende, baumbewohnende und röhrenbewohnende Arten in vielen Farbvarianten, von gelb über blau bis zu schwarz-weiß gestreift, berichtet Geiger. 22 Spinnen in 15 verschiedenen Arten krabbeln derzeit durch seine Wohnung.

So tötet eine Spinne ihre Beute

Die meisten Spinnen sind harmlos, weiß der Sammler. Vogelspinnen besäßen zwar ein Gift, das aber mit dem Stich einer Wespe oder Biene vergleichbar sei. „Man kann sagen, je größer die Spinne, desto geringer die Giftmenge“, sagt Geiger. Das Gift sei nichts anderes als der Verdauungssaft, da Spinnen die Beute außerhalb ihres Körper verdauen. Dazu spritzen sie durch kleine Öffnungen in den Zähnen, ähnlich einer Kanüle, den Verdauungssaft in die Beute. Diese löst sich dann auf und wird durch eine kleine Öffnung eingesaugt. Übrig bleibt eine kleine trockene Kugel, die sie dann irgendwo im Terrarium ablegen. Die Zähne können bei der größten Art bis zu 2,5 Zentimeter lang werden: Theraphosa stirmi, die bis zu 30 Zentimeter Beinspannweite aufweist. Vogelspinnen seien sehr ortsgebunden. Deshalb sei auch ein relativ kleines Terrarium ausreichend.

Die Krabbler bleiben immer in der Nähe ihres Unterschlupfs und warten, bis Futter vorbeiläuft. Sie bleiben dort ein Leben lang. Labsiodora parahybana, die er Step (Schritt) getauft hat. Sie geht abends einen Schritt aus ihrer Höhle und morgens wieder einen Schritt zurück. Daher der Name. Von den Parahybana hat Geiger zwei Exemplare, die er beide aus dem Stuttgarter Tierheim bekommen hat. Es ist ein Männchen und ein Weibchen, die Geiger aber nicht miteinander verpaart, weil diese Art bis zu 1200 Nachkommen haben kann.

Wer sich eine Spinne kauft, muss mit Preisen ab 50 Euro rechnen, weiß Udo Geiger. Für seltene Exemplare müsse man schon mal 1000 Euro berappen. „Alle Spinnen, die man käuflich erwerben kann, sind Nachzuchten. Der Natur werden eigentlich keine mehr entnommen“, betont Geiger. Das sei bei bestimmten Arten früher sehr oft der Fall gewesen, jetzt dürfen sie nur noch nach den Regeln des Washingtoner Artenschutzübereinkommens gehandelt werden.

War der Großeinsatz in Eglosheim gerechtfertigt?

Sein Wissen setzt das Mitglied der Bosch-Berufsfeuerwehr in Renningen und der Freiwilligen Feuerwehr Bietigheim-Bissingen – wo schon sein Vater und Großvater als Kommandanten aktiv waren – als Experte bei Schulungen für seine Kollegen zum Thema „gefährliche Haustiere“ ein. Und immer häufiger wird er auch zu entsprechenden Einsätzen gerufen, von der Stuttgarter Berufsfeuerwehr, der Ludwigsburger Wehr und der in Pforzheim. Die Frage sei berechtigt, sagt Geiger, ob so viel Personal bei einer Spinnensichtung im Supermarkt gerechtfertigt sei. Im Fall von Fridoline in Eglosheim wurde das Regal erst einmal großflächig abgesperrt, da man von einer giftigen Art ausgegangen sei. Danach wurden die Handy-Bilder eines Mitarbeiters gesichtet, wobei schnell klar war, dass es sich um eine harmlose Riesenkrabbenspinne (heteropolar venatoria) handle. „Daraufhin haben wir das Regal vorsichtig abgeräumt und sie schließlich in einem Regalträger entdeckt. Mit einem kleinen Stock konnten wir sie nach oben in eine Plastikbox bugsieren und den Markt wieder freigeben.

Viele empfinden schon bei dem bloßen Anblick einer Spinne Angst und Scheu und können vermutlich kaum glauben, dass diese Tiere auch einen guten Zweck erfüllen: Spinnen fressen Insekten – und davon reichlich. Sie nehmen somit eine sehr wichtige Stellung in unserem Ökosystem ein, denn Spinnen begrenzen nicht nur die Anzahl von lästigen Mücken und Fliegen im Haus, sondern auch die von Schädlingen in den Gärten und auf Feldern.