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Gewaltige Ausdruckspanoramen

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Kantorei der Karlshöhe mit Schubert und Kodály in der Friedenskirche
LUDWIGSBURG. Nikolaus Harnoncourt hat die beiden letzten Schubert-Messen in As-Dur und Es-Dur einmal mit Beethovens „Missa solemnis“ auf eine Stufe gestellt – nicht allein der Festlichkeit wegen, sondern in der Kühnheit und Expressivität der weit über den liturgischen Zweck hinaus reichenden musikalischen Sprache: „Diese Werke besitzen für die Zuhörer wie für die Musiker eine Ausdrucksgewalt, die uns buchstäblich in den tiefsten Seelentiefen aufwühlen kann.“ Aus diesem Geist musizierte die Kantorei der Karlshöhe unter der Leitung von Nikolai Ott die As-Dur-Messe Schuberts, und das darauf folgende „Te Deum“ Zoltan Kodálys setzte einen markant-patriotischen, von folkloristischer Melodik geprägten Gegenpol des ungarischen Zeitgenossen Béla Bartóks.

Bewundernswert war in beiden Werken die großartige Leistung der Kantorei: Die über 80 Sängerinnen und Sänger erreichten in der Friedenskirche einen hohen Grad an Homogenität und Ausdruckskraft, auch das Zusammenwirken mit dem Orchester Sinfonia 02 und seinem Konzertmeister Mathias Neundorf war hervorragend organisiert. Das Thema von Klarinetten und Fagott wird im „Kyrie“ vom Chor im strömenden Melodiefluss aufgenommen, mit dem „Christe eleison“ mischen sich zweimal die Solostimmen dazwischen, bei den Gebetsrufen des „Gloria“ kommt es dann, wie häufig in dieser Schubert-Messe, zu einem Dialog zwischen Solisten und Chor. Ulrike Härter leuchtet dabei mit ihrem lupenreinen Sopran aus dem Solistenquartett heraus, die Altistin Margret Hauser und der Tenor Alexander Efanov – beide im Stuttgarter Staatsopernchor – harmonieren prächtig, und Guillermo Anzorena, erster Bariton im Ensemble der Neuen Vocalsolisten, ist hier einmal in ungewohnt klassischer Funktion zu erleben.

Eindringliche Chorpassagen

Bei Schuberts As-Dur-Messe, und mehr noch in Kodálys „Te Deum“, liegt das Hauptgewicht auf den ungeheuer eindringlichen Chorpassagen. Das „Credo“ ist von Anfang bis Ende chorisch gestaltet, auch das „Et incarnatus est“, in vielen Messen von Bach bis zur Spätromantik solistisch gestaltet, wird hier im Dialog von Männer- und Frauenstimmen bildhaft dargestellt, mit einer chromatischen Abwärtslinie, welche die Menschwerdung Christi bis zum mehrfach bestätigten „Et homo factus est“ fortführt. Kräftige Bläserakkorde strukturieren diesen Satz, der erst im „Amen“ von den Solisten bekräftigt wird. Sie vereinigen sich auch mit den Chorstimmen im „Benedictus“ zu harmonischem Gesang, und das „Hosanna“ swingt so tänzerisch wie das von Soli und Chor nochmals dialogisch gestaltete „Dona nobis pacem“: ein Stück mit Ohrwurmqualität, dargeboten mit Leichtigkeit.

Kodálys „Te Deum“ dagegen – 1936 zum 250. Jahrestag der Befreiung Budapests von osmanischer Besatzung komponiert – ist ein ekstatischer Lobgesang, dessen himmlische Höhen vor allem die Soprane der Kantorei aufs Äußerste fordern. Die dynamischen Kontraste werden von Nikolai Ott grandios ausmusiziert, nur an wenigen Stellen wird der kollektive Enthusiasmus von einzelnen Solostimmen unterbrochen. Die Chorfuge des „In te Domine speravi – Auf Dich, Herr, hoffe ich“ hat Urgewalt, danach steigert sich der Orchesterklang zu einem letzten ekstatischen Ausbruch. Und mit gefühlvoller Emphase antwortet die Sopranistin: „In Ewigkeit!“