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Ausgrabung
Seltene Funde: Den Menschen der letzten Eiszeit auf der Spur

Auf der Hohen Reut bei Hohenhaslach werden Spuren von Steinzeitmenschen aus der Magdalénien-Epoche freigelegt.Fotos: Alfred Drossel
Auf der Hohen Reut bei Hohenhaslach werden Spuren von Steinzeitmenschen aus der Magdalénien-Epoche freigelegt. Foto: Alfred Drossel
Grabungsleiter Stefan Wettengl mit einem steinzeitlichen Stichel.
Grabungsleiter Stefan Wettengl mit einem steinzeitlichen Stichel.
Wissenschaftler der Universität Tübingen sind im Stromberg den Menschen der letzten Eiszeit auf der Spur. Bei Grabungen finden sie Steinwerkzeuge, wie sie so nur ganz selten im Freiland und nicht in Höhlen gefunden werden.

Sachsenheim. Grabungsleiter Stefan Wettengl ist sich sicher, dass durch diese Funde und Befunde das Bild der Steinzeitmenschen in unserer Gegend weiter nachgezeichnet werden kann. Die Spuren auf der Hohen Reut stammen aus der archäologischen Kulturstufe, die als Magdalénien bezeichnet wird. Benannt wurde das Magdalénien im Jahre 1869 von Gabriel de Mortillet nach der Halbhöhle La Madeleine im Departement Dordogne. Der älteste Magdalénien-Fundplatz in Süddeutschland liegt bei Munzingen, mit einer Reihe Funden aus der Zeit von etwa 15000 bis 16300 vor Christus.

Der bisher bedeutendste Fund Süddeutschlands wurde 1866 an der Schussenquelle gemacht. Deshalb ordnen die Tübinger Wissenschaftler den Fund vom Stromberg als „ähnlich bedeutend“ ein. Grabungsleiter Stefan Wettengl schildert die damaligen Lebensverhältnisse: „Die Menschen lebten in kleinen Gruppen, waren Sammler und Jäger. Sie jagten Rentiere und Wildpferde.“ Das Klima der letzten Eiszeit hatte kurze Sommer. Im Winter wurde es bis zu minus 40 Grad kalt. In der ganzen Gegend gab es nur Steppe, keinen Wald, so wie heute in Sibirien. Die Steinzeitmenschen waren nicht sesshaft. Sie zogen von der Schwäbischen Alb bis ins Markgräflerland. Der Platz im Stromberg war offensichtlich ein gern genutzter Lagerplatz mit einem weiten Ausblick. Gekocht wurde in Gruben im Boden, die mit Leder oder Tiermägen abgedichtet waren. In diese Gruben gab man im Feuer erhitzte Steine, die die Flüssigkeit zum Sieden brachten. Aushöhlungen in dicken Schieferplatten, in die man Tierfett und einen Docht gab, dienten als Lampen. Das Eisenoxyd Hämatit wurde zum Färben und wahrscheinlich auch zur Körperbemalung verwendet. Als Jagdwaffen verwendete man Speerschleudern und Harpunen.

„So eine Fundstelle ist einzigartig in Süddeutschland“, glaubt Grabungsleiter Stefan Wettengl. Nordwürttemberg sei bisher bis auf die Neckargegend ein weißer Fleck bei altsteinzeitlichen Funden. Akribisch gehen die Wissenschaftler im Wald vor. Es ist eine relativ kleine Grabungsfläche, aber sie ist voll von Funden. Der Hobbyarchäologe Alwin Schwarzkopf hatte auf seinen Wanderungen im Stromberg die ersten Funde gemacht und die Archäologen alarmiert. Gut zehn Jahre hat es dann gedauert, bis die Tübinger Wissenschaftler vor drei Jahren in der Reihe „ Altsteinzeitliche Freilandfundstellen“ mit den Grabungen begonnen haben. Letztes Jahr war Coronapause. Und dieses Jahr wurde bisher zehn Tage lang weiter geforscht. Gestern war der diesjährige Abschluss, und die Wissenschaftler stellten Bürgermeister Holger Albrich ihre Ergebnisse vor.

Kennzeichnend für die Magdalénien-Epoche waren eine ganze Reihe neuer Entwicklungen, die das Leben der damaligen Menschen wesentlich verbessert haben. Neu war da die Speerschleuder mit größerer Treffsicherheit. In der Fell- und Textilverarbeitung wurden Nadeln mit Öhr eingeführt. Andere Werkzeuge sind Nasen- und Kielkratzer, Papageienschnabelstichel, Bohrer, Pfrieme sowie Ahle. Und diese Werkzeuge wurden im Stromberg gefunden. Das Steinmaterial stammt hauptsächlich von der Schwäbischen Alb.

Diese Werkzeuge sind in der Regel tief im Boden vergraben und wurden auf den Feldern zerstört. Im Stromberg blieben diese Steinwerkzeuge aber nur wenige Zentimeter tief im Erdboden erhalten. Stefan Wettengl ist sich sicher, dass mit den Funden vom Stromberg ein Bild der Steinzeitmenschen gezeichnet werden kann, die Wissenschaft bereichert wird. Bisher seien Steinzeitfunde vor allem in Höhlen der Schwäbischen Alb gemacht worden. Jetzt aber hofft das Tübinger Forscherteam auf neue Erkenntnisse, wie Rulaman, die literarische Häuptlingsfigur aus der Steinzeit, gelebt hat. Im nächsten Jahr sollen die Grabungen weitergeführt werden. Dass dabei auch menschliche Überreste zutage kommen, schließt Wettengl aus. Das sei grundsätzlich sehr selten, weil Knochen in dieser langen Zeit verwittern.