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Froschgraben
„Wir dürfen die Menschen nicht verunsichern“

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Landrat Dr. Rainer Haas hat die Kreisräte dazu aufgerufen, der Ablagerung von freigemessenem Bauschutt aus dem Rückbau des AKW Neckarwestheim auf Deponien in Schwieberdingen und Vaihingen zuzustimmen. „Sie müssen Rückgrat zeigen.“ Doch es ist ungewiss, dass sie ihm heute folgen.

Ludwigsburg. „Wir dürfen die Menschen in unserer Region, auch am Froschgraben, nicht weiter verunsichern.“ Landrat Haas warnt die Gegner einer Ablagerung von freigemessenem Bauschutt davor, die Diskussion um die Gefährlichkeit des Mülls „weiter zu skandalisieren“. Zwei unabhängige Gutachter hätten belegt, dass die Belastung, die von den 3350 Tonnen Müll aus dem Abbruch des Atomkraftwerkes Neckarwestheim ausginge, gering sei. „Da ist es gefährlicher, auf den Marktplatz in Schwieberdingen oder auf die Äcker neben der Deponie zu gehen“, so Haas. Er habe zugesagt, dass das Material „chargenscharf dokumentiert wird“, und auch in Zukunft regelmäßig nachgemessen werde, wie sich die radioaktive Belastung entwickle. „Nicht, weil wir damit rechnen, dass da etwas passiert, sondern, um Transparenz zu schaffen.“ Das Material werde zu 100 Prozent den rechtlichen Vorgaben entsprechen.

Sichtlich verärgert reagiert er auf Vorwürfe gegen die kreiseigene Abfallverwertungsgesellschaft AVL, sie hätte Vertrauen in der Bevölkerung verspielt, die an den Deponien leben müsse. So habe das Regierungspräsidium Stuttgart die Einlagerung von Asbest aus Norditalien nicht beanstandet. „Es ist auch schlichtweg eine Lüge, dass auf der Deponie Burghof im Vaihinger Stadtteil Horrheim radioaktive Abfälle aus dem Kongo gelandet sind.“ Er habe nach den Vorkommnissen um den Freimessmüll aus dem Kernforschungszentrum in Karlsruhe dafür gesorgt, dass die AVL-Spitze komplett neu aufgestellt wird. „Wir haben alle verantwortlichen Personen ausgetauscht, es gibt einen neuen Deponieleiter, einen neuen technischen Leiter und auch einen neuen Geschäftsführer.“ Das sei ein deutliches Zeichen, dass hier schnell und transparent gehandelt werde. Man könne die AVL jetzt auch nicht mit angeblichen Skandalen um Schlammseen in den Schmutz ziehen. Die Kritiker aus den Reihen der IG Deponien Schwieberdingen-Horrheim müssten aufhören, die AVL „in der Öffentlichkeit madig zu machen“.

Die Anträge im Kreistag gegen die Ablagerung des Freimessmülls sieht er kritisch. „Wir sind zur Annahme schlichtweg verpflichtet, eine Ablehnung wäre rechtswidrig.“ Deshalb würde er gegen den Antrag der Linken, der jegliche Deponierung von „Atomschrott“ im Kreis ablehnt, auch sein Veto einlegen. Einen etwas anderen Weg wollen nach Information unserer Zeitung Freie Wähler und FDP einschlagen. In ihrem neugefassten Antrag, der heute vorgelegt wird, soll nicht mehr die Ablehnung der Müll-Ablagerung gefordert werden. Es geht ihnen dann lediglich darum, dass sich der Kreistag „dagegen ausspricht“. Eine semantische Feinheit, die es dem Landrat ersparen würde, formell Einspruch zu erheben. Die politische Willensbekundung wäre so dennoch möglich. Bis in die späten Abendstunden wurde gestern an den Formulierungen gefeilt. Auch die SPD wollte dem Vernehmen nach noch einen eigenen Vorschlag präsentieren.

Haas sieht auch eine moralische Verpflichtung. „Wir dürfen die Frage nicht einfach auf die nächsten Generationen verschieben“, so Haas. Das würde nur Politikverdrossenheit schüren. Wir dürfen auch nicht nach dem St.-Florians-Prinzip agieren“, lehnt Haas Forderungen ab, den Müll am Kraftwerksstandort zu lagern. „Gemmrigheim und Neckarwestheim haben schon signalisiert, dass sie da nicht mitmachen“, so Haas. Auch sei es nicht möglich, den Bauschutt im Salzstock in Bad Friedrichshall-Kochendorf unterzubringen.

Im Gegensatz zu seinem Amtskollegen im Neckar-Odenwald-Kreis, Achim Brötel, der wegen Bedenken der Ärztekammer die Annahme von Atomschrott verweigert hat, wird sich Haas nicht querstellen. Ohne den Vorwurf des Opportunismus zu erheben meint Haas nur: „Nicht jeder Ast und jeder Baum bricht auch gleich im Sturm.“