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Atomkraft
AKW-Gegner wollen GKN einhausen

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Abbruchmaterial im AKW Neckarwestheim. Freigemessener Bauschutt kann jetzt auf die Kreis-Deponien transportiert werden. Archivfoto: Alfred Drossel
Der Bauschutt der beiden Neckarwestheimer Atomkraftwerke GKN I und II soll bleiben, wo er anfällt. Das und die sofortige Abschaltung von Block II fordern die Arbeitsgemeinschaft Atomerbe und der BUND. Gestern, pünktlich zum Fristende, gaben sie die Einwendungen von mehr als 700 Bürgern an der Pforte des Umweltministeriums ab.

Neckarwestheim. Der Ort des Pressegesprächs am Montag war bewusst gewählt. Das Restaurant Wartberg. Dort hat man nicht nur einen tollen Blick auf Heilbronn. Bei klarem Wetter türmt sich eine kilometerhohe Säule aus Dampf über der Stadtsilhouette. Die stammt vom Kühlturm des GKN II. Der Meiler ist im Gegensatz zum kleineren, aber etwas älteren Bruder GKN I immer noch am Netz. Der beliebte Hausberg der Heilbronner mit Rad- und Wanderwegen hat aber auch eine Schattenseite: die Deponie Vogelsang im Norden. Hier soll der „Heilbronner Teil“ des als unbedenklich frei gemessenen Abbruchmaterials nach dem Abriss beider Kraftwerke landen.

Während sich die Deponien Burghof in Horrheim, Froschgraben in Schwieberdingen eben der Heilbronner Vogelsang die 4400 Tonnen an den Überresten von GKN I, das gerade abgerissen wird, zu fast gleichen Teilen teilen, bleibt der Landkreis Heilbronn an geschätzten 10 000 Tonnen ganz alleine hängen. Denn Block II steht alleine auf dessen Gebiet.

Eile macht misstrauisch

Grundsätzlich fordern die Arbeitsgemeinschaft Atomerbe Neckarwestheim und der BUND, dass auch das GKN II sofort abgeschaltet wird, dessen Betriebserlaubnis noch bis 2022 läuft. „Wir dürfen nicht zulassen, dass hier weiter Atommüll produziert wird, von dem letztlich kein Mensch weiß, wohin damit“, sagen Franz Wagner und Herbert Würth von der AG. Ein Reaktor könne abschaltet werden, Strahlung dagegen nicht. Es dauere alleine rund fünf Jahre, bis die Brennelemente nicht mehr aktiv mit Wasser gekühlt werden müssten. Von einer grünen Wiese in zehn bis 15 Jahren zu träumen, sei eine „Illusion“. Mit den Begriffen „Energiewende“ und „Atomausstieg“ sei der Bevölkerung etwas vorgegaukelt worden, nur um es ruhig zu stellen. „Ein Etikettenschwindel!“

Der Umweltreferent des BUND, Fritz Mielert, betonte: „Es gibt keine unschädliche radioaktive Strahlung.“ Grenzwerte hin, Grenzwerte her. Die Umweltschutzorganisation hat gemeinsam mit der Physikerin und Atomexpertin Oda Becker aus Hannover einen 70-seitigen Einwendungskatalog ausgearbeitet. Auf die Reaktionen des Betreibers EnBW sowie des Ministeriums sind die drei gespannt.

Die Eile mit der Abbruchgenehmigung auch für GKN II kommt den Kritikern reichlich merkwürdig vor. Sie vermuten, dass der Abriss mit all seinen Konsequenzen so möglichst günstig für die EnBW gestaltet werden soll. Denn so würde die Masse des Industrieabfalls mit 811 000 Tonnen zu 99 Prozent als deponierfähig oder sogar recycelbar deklariert. „Wir sind bestimmt nicht gegen Nachhaltigkeit“, betonen Wagner, Würth und Mielert. Aber einen Kochtopf aus einem Rohr vom Atomkraftwerk oder den Unterbau einer Straße, die Hauswand aus wieder verwertetem Mauerwerk des GKN wollen sie nicht. „Das wäre eine flächendeckende Verstrahlung für alle.“ Der Vorwurf steht im Raum, das Umweltministerium lasse sich als Handlanger vom Landesunternehmen EnBW instrumentalisieren. Das Verfahren ähnle einer Blankounterschrift für das „vage“ Unterfangen, ohne dass der Öffentlichkeit konkrete, belastbare Fakten vorlägen. Danach müssten „nur“ 4000 Tonnen aus Neckarwestheim II endgelagert werden. Wobei dafür kein endgültiges Lager zu finden sein werde, glauben die Atomkraftgegner. Schacht Konrad und das Bergwerk Asse seien ungeeignet und hätten keine ausreichenden Kapazitäten. Ihre Alternative: Die Gebäudeteile vor Ort lassen und einhausen, sie wie in Tschernobyl in einen Betonsarkophag gießen. Leicht, mittel und hoch verstrahlte Teile sollten abtransportiert werden. Offen sei allerdings, wohin.

Mielert geht scharf mit der gesamten Vorgehensweise in Sachen Rückbau ins Gericht. Wichtige Daten halte die EnBW gezielt zurück. Die Öffentlichkeit werde im Unklaren darüber gelassen, wie verstrahlt die Gebäude tatsächlich seien, was abgebrochen werden soll und was nicht, wie der Schutt verpackt und abtransportiert und wie lange er auf dem Gelände behandelt und zwischengelagert wird. Geologische Risiken würden ausgeblendet, eine echte Umweltverträglichkeitsprüfung durch unabhängige Gutachter etwa für das Zwischenlager oder das Behandlungszentrum gebe es nicht. „Von Alternativlösungen ganz zu schweigen.“

„Echte Bürgerbeteiligung“ gefordert

Abschalten jetzt, so die dringlichste Forderung. „Das Risiko besteht bis zum letzten Tag.“ BUND und AG Atomerbe wollen außerdem eine „echte Bürgerbeteiligung in allen Verfahrensschritten“ sowie ein Verbot, dass Radioaktivität während des gesamten Prozesses in die Umwelt gelangt, Arbeiter geschädigt werden.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Stilllegung und Abbau von GKN II hat das Umweltministerium Baden-Württemberg wie berichtet ein Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit eingeleitet. Hierzu habe das Ministerium am 2. Juli „aussagekräftige Unterlagen“ veröffentlicht, die von der EnBW vorgelegt worden waren, heißt es aus der Konzernkommunikation des GKN-Betreibers. Es wird ein Erörterungstermin für die erfolgten Einwendungen festgesetzt, deren Abgabefrist gestern endete. Das genaue Datum hänge von Zahl und Inhalten der Einwendungen ab. Ob und wann die Genehmigung zum Abbau von GKN II erteilt werden könne, lasse sich noch nicht abschätzen.