Ludwigsburg. Für den Wirtschaftsstandort Ludwigsburg ist es ein Verlust, wie ihn eine Stadt selten erlebt: Wüstenrot, einer der großen Arbeitgeber und Steuerzahler, setzt bei seinen Zukunftsplanungen auf einen anderen Standort, gibt seinen Traditionssitz zu großen Teilen auf. „Der Gewinner ist Kornwestheim“, so hat es Jürgen A. Junker, der Vorstandschef des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische (W&W), im Interview mit unserer Zeitung formuliert. In der Nachbarstadt entsteht Stück für Stück eine neue Firmenzentrale, dort sollen bis 2023 rund 4000 Mitarbeiter zusammengelegt werden, dort wird das Unternehmen dann auch seinen Hauptsitz haben.
In gut fünf Jahren dürfte es also so weit sein: Das Unternehmen wird bis dahin weite Teile seiner ausgedehnten Büro-Liegenschaften in der Südstadt entlang der Hohenzollernstraße geräumt haben. Nach aktuellem Stand wird laut W&W-Sprecher Immo Dehnert das Hochhaus ganz am Rand der Ludwigsburger Markung künftig noch eine feste Rolle als Immobilie für W&W-Beschäftigte spielen, mit Raum für rund 1000 Arbeitsplätze.
Aus dem großen Büroviertel neben dem Hochhaus (siehe Luftbild oben) soll dagegen ein ganz neues Quartier werden. „Dort denken wir an Wohnungen, Ladenzeilen und Restaurants, auch Büros“, hat Junker die Überlegungen beschrieben. Bei W&W gehen die Planer davon aus, dass die Bestandsgebäude – teils aus den 50er Jahren – nach 2023 abgerissen werden und etwas ganz Neues entstehen wird.
Die Verwandlung des Quartiers will man bei W&W weitgehend selber in die Hand nehmen. So arbeitet die hauseigene Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, die GMA, an einer Standortanalyse mit der Fragestellung, was man dort am besten ansiedeln kann. Und die Wüstenrot Haus- und Städtebau sucht mit den Stadtplanern im Rathaus das Gespräch darüber, wie ein solches neues Quartier aussehen könnte. Diese Wüstenrot-Tochter würde dann wohl auch die Entwicklung des neuen Quartiers in großen Teilen selbst übernehmen.
Im Rathaus noch nicht gerüstet
Im Rathaus ist man aber offenbar noch nicht dafür gerüstet, in die städtebauliche Planung dieses neuen Quartiers und in die Gespräche mit Wüstenrot einzusteigen. Wie der Baubürgermeister Michael Ilk auf Anfrage unserer Zeitung erläutert, ist derzeit eine neue Stadtplaner-Stelle ausgeschrieben, speziell zur Betreuung der Ludwigsburger Südstadt. Denn dort sieht die Stadt noch weitere Aufgaben: Der Gemeinderat hat bei der Stadtverwaltung ein Parkierungskonzept in Auftrag gegeben, um dem starken Parkdruck in den Wohnstraßen aus dem gewerblichen Bereich zu begegnen.
Und die Stadtverwaltung selbst hat sich, nur ein kleines Stück vom Wüstenrot-Viertel entfernt, das Wohnblock-Quartier an der Stuttgarter Straße vorgenommen. Die Stadt ist zwar Ende des vergangenen Jahres in einem ersten Anlauf damit gescheitert, in dem Innenhof des Quartiers bis zu 300 neue Wohnungen zu bauen, auch für Flüchtlinge. Die Stadtverwaltung hat aber einen zweiten Anlauf angekündigt, jetzt mit einer kleineren Variante für den Wohnungsbau. Auch das ist eine Aufgabe, die bei der neuen Stadtplaner-Stelle angesiedelt werden soll.
Standort für Hochhäuser
Die größte Veränderung wird es wohl im Wüstenrot-Quartier neben dem Hochhaus geben. Noch sei vollkommen offen, was dort in welcher Bauform entstehen wird, sagt W&W-Sprecher Dehnert. Wahrscheinlich ist aber, dass wieder in die Höhe gebaut wird. Schon heute gilt dieses Areal mit einer Bauhöhe von bis zu elf Geschossen als einer der Ludwigsburger Hochhausstandorte. Solche Standorte hat die Stadt in einem Hochhauskonzept aufgelistet und bewertet. Das besagte Wüstenrot-Quartier bekam – anders als etwa die Türme des Marstalls in der Innenstadt – das Siegel „geeignet“.
Mit dem Konzept hielt man Ausschau nach neuen Standorten für Hochhäuser. Als solcher gilt zum Beispiel das Keppler-Dreieck nahe dem Bahnhof. Diesen Standort hatte die Stadt dem W&W-Konzern vergeblich als Alternative zu Kornwestheim angeboten. Einen weiteren neuen Hochhausstandort sieht die Stadt gleich in Nachbarschaft des bestehenden Wüstenrot-Quartiers: jenseits der Bahngleise auf einer Brache des ehemaligen Güterbahnhofs (im Foto rechts unten zu sehen).