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Verendete Tiere
Besuch im Tierheim Ludwigsburg: Nur das Schweinchen Mary-Lou hat Erligheimer Skandalhof überlebt

Mary-Lou in ihrem Stall im Ludwigsburger Tierheim. Foto: Holm Wolschendorf
Mary-Lou in ihrem Stall im Ludwigsburger Tierheim. Foto: Holm Wolschendorf
Kein Mensch kann erahnen, was dieses Schwein durchgemacht hat. Doch sein Überlebenswille hat sich gelohnt. Mary-Lou, das einzige überlebende Tier vom Erligheimer Skandalhof, wird dem Metzger entgehen.

Ludwigsburg. Für ein Schwein sieht es etwas ausgemergelt aus. Doch als die Tierpflegerin ein paar Bananen holt, um es vor die Kamera des Fotografen zu locken, legt Mary-Lou los: Sie quiekt und grunzt und läuft wie wild im Stall umher, um möglichst schnell an die Bananen zu kommen. In Sekundenschnelle hat sie diese dann verdrückt.

Am Freitag ist Mary-Lou von ihrem ehemaligen Besitzer und Mitarbeitern des Veterinäramts ins Ludwigsburger Tierheim gebracht worden. Hinter dem Schwein liegt ein Martyrium. Gemeinsam mit 17 verendeten Tieren – fünf Schweinen, neun Rindern und drei Hühnern – ist Mary-Lou Mitte vergangener Woche auf einem Hof in Erligheim entdeckt worden. Die Tiere sind qualvoll verhungert und verdurstet. Fotos der Tierrechtsorganisation Peta zeigen die verendeten und verwesenden Tiere in Bergen von Kot und Mist.

Erst will es nichts essen

Wie hat das acht Monate alte Mastschwein es geschafft, als einziges Tier zu überleben? „Sie muss extrem stark sein“, sagt Ursula Gericke, die Leiterin des Tierheims. In den ersten Tagen im Tierheim sei sie sehr müde und apathisch gewesen, wollte nichts fressen. Dann haben die Tierpfleger, die das Schweinchen Mary-Lou getauft haben, mit Buttermilch, Honig und Kleie den Durchbruch geschafft. „Sie hätte nicht mehr lange gelebt“, ist Gericke sicher.

Mittlerweile isst das Tier drei Mal am Tag. Das Schwein bekommt Obst – etwa Bananen und Erdbeeren – Gemüse, Joghurt, Quark, geschrotetes Getreide und Mineralfutter. Um seine Energie unter Kontrolle zu halten, darf es jeden Tag raus und im Hof des Tierheims spazieren und umherspringen. Die Hunde müssen dann so lange warten. „Heute ist sie zum ersten Mal galoppiert“, erzählt Ursula Gericke beim Besuch am Mittwoch.

Artgenosse gesucht

Auch wenn das Leben im Tierheim traumhaft ist – vor allem im Vergleich zu dem, was Mary-Lou zuvor erlebt hat –, ewig kann das Schwein nicht dort bleiben. Der Schlachthof wartet allerdings auch nicht. Nach allem, was Mary-Lou durchgemacht hat, soll sie bald auf einen Lebenshof kommen, auf dem Tiere in Ruhe ihr Leben verbringen können. Da Schweine sehr kommunikative und soziale Lebewesen sind, hat Gericke schon nach einem Artgenossen Ausschau gehalten, der ebenfalls mit auf den Lebenshof kommt. In Heilbronn ist die Tierheimleiterin fündig geworden. Auch ein erster Hof hat sich schon gemeldet. Da Mary-Lou mittlerweile eine Art Star ist und mehrere Filmteams im Tierheim waren, wird es laut Gericke kein Problem sein, ein neues Zuhause für das Schwein zu finden. „In ein bis zwei Wochen werden wir etwas gefunden haben.“

Unfassbar, was passiert ist

Was auf dem Erligheimer Hof passiert ist, findet Ursula Gericke unfassbar. Sie hat am Freitag gesehen, in was für einer schwierigen psychischen Verfassung der Hofbetreiber ist. Dass niemand etwas im Ort mitbekommen hat, kann sie aber kaum glauben. Ihrer Meinung nach hätte sich die Gemeinde früher einmischen müssen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das Gebrüll der sterbenden Rinder nicht hört.“