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„Es ist meine Pflicht“
Holocaust-Überlebende Ruth Michel im Ludwigsburger Mörike-Gymnasium

Ruth Michel im Kreise von Mörike-Schülern und Lehrern.
Ruth Michel im Kreise von Mörike-Schülern und Lehrern.
Ihre Geschichte ist Mahnung und Auftrag: Ruth Michel erzählt im Mörike-Gymnasium von ihrem Leidensweg als Jüdin in Nazi-Deutschland und -Polen.

Das Geflüster in der Aula des Mörike-Gymnasiums Ludwigsburg verstummt sofort, als Ruth Michel sich auf der Bühne leise räuspert. Bereits zum zweiten Mal besucht die 95-Jährige die Schule, um von ihrem Leben während des Holocausts zu erzählen. Sie möchte den Opfern eine Stimme geben und den Schülern klarmachen, wozu Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit führen können.

Hier ist Ruth Michel aufgewachsen

Als Tochter eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter wird Ruth Michel 1928 in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, geboren. Mit sechs Jahren fliehen sie und ihre Familie vor dem NS-Regime nach Mykulytschyn, welches damals zu Polen gehörte. Dort besucht sie die polnische Volksschule, bis Polen nach Kriegsausbruch 1939 von Russland besetzt wird und sie ins russische Gymnasium wechselt. Kurz darauf überfällt Hitler Russland.

Aufgrund der steigenden Bedrohung und um seine Familie zu beschützen, verlässt Ruth Michels Vater seine Familie und sucht bei Freunden Schutz. Von diesem Moment an trägt die inzwischen 13-jährige Ruth die Verantwortung für ihre Mutter und Schwester. „Ich musste erwachsen werden“, erklärt sie dem Publikum.

Darum spricht sie über diese Zeit

Ihr Engagement ist ihr wichtig. „Es ist meine Pflicht vor Gott und vor den Ermordeten, denn ich bin die Einzige aus meiner Familie, die überlebt hat.“

Ruth Michels Vater wird im Dezember 1941 gemeinsam mit den rund 200 anderen Juden Mykulytschyns vom NS-Regime hingerichtet. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester flieht sie nach der Ermordung ihres Vaters nach Königsberg. Dort erlebt Ruth Michel auch das Kriegsende 1945.

Auf Nachfragen aus dem Publikum erklärt sie, dass das Dorf auf die Verschleppung der jüdischen Einwohner kaum reagiert habe. Im Gegenteil, es habe Plünderungen gegeben und wohl aus Neid hätten andere das Schicksal der Juden hingenommen und sogar für richtig empfunden.

Zurück im Dorf ihrer Kindheit

2010, fast 70 Jahre nach der Ermordung der Juden Mykulytschyns, besucht Ruth Michel das Massengrab in der heutigen Ukraine zum ersten Mal und lässt eine Grabplatte sowie einen neuen Zaun um das Grab errichten.

Ihren Vortrag beendet Ruth Michel mit einem Appell an die Schülerinnen und Schüler, sich stets zu wehren und Widerstand zu leisten, wenn einem selbst oder seinem Nachbarn Unrecht getan wird.