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Interview
„Ich hatte Bock auf ein neues Abenteuer“

Der in Möglingen aufgewachsene Steffen Kraus (blaues Trikot) fängt in einem Spiel für seinen Verein BK Forward eine Flanke ab. Seit 2017 lebt er in Schweden.Foto: privat
Der in Möglingen aufgewachsene Steffen Kraus (blaues Trikot) fängt in einem Spiel für seinen Verein BK Forward eine Flanke ab. Seit 2017 lebt er in Schweden. Foto: privat
Der in Möglingen aufgewachsene Steffen Kraus spielt in Schweden für den BK Forward Fußball. Bereits vor sieben Jahren wagte der heute 27-Jährige erstmals den Schritt ins Ausland.

Ludwigsburg. In der Jugend spielte Torhüter Steffen Kraus mit Bernd Leno und Serge Gnabry zusammen. 2013 wechselte er an die George Mason University in die USA. Vier Jahre später zog er nach Schweden, wo er heute für den Viertligisten BK Forward in Örebro, der sechstgrößten Stadt des Landes, spielt. Im Interview spricht er über lockere Corona-Maßnahmen, seine außergewöhnliche Karriere und seine Abenteuerlaune.

Sie leben nun seit über drei Jahren in Schweden. Wie hat sich der Alltag dort seit der Coronapandemie verändert?

Steffen Kraus: Nicht so sehr. Wenn ich nach Deutschland oder Europa schaue, kommt es mir vor wie im Film. Hier ist die größte Veränderung, dass es ein Versammlungsverbot für Gruppen von über 50 Personen gibt. Ansonsten ist man hier vorsichtiger, arbeitet im Homeoffice und sollte bei Symptomen zu Hause bleiben.

Was halten Sie von diesen Maßnahmen?

Wenn ich es mit Deutschland vergleiche, bin ich etwas skeptisch, welcher der richtige Weg ist. Ich finde es gut, dass die Wirtschaft in Schweden nicht komplett heruntergefahren wird. Andererseits hat man Bedenken, ob das am Ende gut geht.

Bisher sind in Schweden – berechnet auf die Einwohnerzahl – dreimal so viele Menschen am Coronavirus gestorben wie in Deutschland. Das Land setzt vor allem auf die Vernunft der Bürger. Wie funktioniert das?

In Schweden ist die Situation grundsätzlich eine andere, da man nicht so nah aufeinander lebt. Die Leute sind im Social Distancing fast Profis. Die Winter mit bis zu minus 20 Grad für vier Monate – da weiß man, wie man das richtig betreibt. Jetzt steigen allerdings die Temperaturen an, auch die Biergärten öffnen. Mal sehen, was dann passieren wird.

Wie kommen die Maßnahmen grundsätzlich in der Bevölkerung an?

Die ist gespalten, auch wenn der Großteil der Bevölkerung dankbar ist. Ich habe immer darauf gewartet, dass irgendwann der Knall kommt, Geschäfte schließen und die Maßnahmen angezogen werden. Das kam aber nicht. Ich bin dankbar, dass mein Leben kaum beschränkt wird.

Ihre Eltern wohnen noch in Möglingen. Wenn Sie die Wahl hätten: Würden Sie Ihre Familie derzeit lieber in Schweden oder in Deutschland unterbringen?

Zur jetzigen Zeit schon in Schweden. Man kann dem Ganzen hier einfacher entfliehen. In Schweden ist man einfach nicht so sehr von Menschen umgeben. Man kann raus in die Natur und sich leichter beschäftigen. In eine Großstadt wie Stockholm beispielsweise würde ich meine Eltern aber nicht schicken wollen.

Sie spielen für den BK Forward Fußball, einen Absteiger aus der dritten schwedischen Liga. Was hat sich dort in den letzten Monaten verändert?

Hier in Schweden spielt man normalerweise über den Sommer. Wie es aussieht, werden in der dritten und vierten Liga nur Hinspiele gespielt. Die Saison hat also nur 13 Spieltage. Im Training selbst gibt es keine großen Einschränkungen. Nur wenn jemand die kleinsten Symptome hat, muss er zu Hause bleiben.

Sie sind auf Umwegen in Örebro gelandet. Von den Stuttgarter Kickers wechselten Sie an ein College in den USA und von dort nach Schweden. Wie kam 2013 der Wechsel in die USA zustande?

Das war eine Bauchentscheidung. Ich hatte mir das irgendwie in den Kopf gesetzt. Dann habe ich mich mit einer Agentur zusammengesetzt und das alles wurde real. Ich wollte die Chance nutzen, etwas anderes zu machen. Der Fußball hat mir dabei geholfen, denn finanziell wäre das Studium in den USA ohne ein Stipendium nicht zu stemmen gewesen.

War das der richtige Schritt?

Es hat mir auf jeden Fall extrem viel gegeben, mich in eine komplett neue Situation schmeißen zu lassen.

Ihr Lebenslauf wirkt, als hätten Sie nach solch neuen Situationen gesucht.

Das hat mich meine ganze Karriere über begleitet. Angefangen hat das eigentlich, als ich beim VfB Stuttgart in der B-Jugend gespielt habe. Damals habe ich einige Wochen mit zwei Jahre älteren Spielern in der A-Jugend mittrainiert, weil von dort Bernd Leno in die U.23 gezogen wurde. Ich bin raus aus der Komfortzone gegangen. Solche Situationen zu meistern, ist im Nachhinein ein tolles Gefühl.

In den USA haben Sie den Bachelor of Science im Bereich Marketing gemacht. Von dort zog es Sie nach Schweden. Wie kam das zustande?

Ich habe am Ende meiner Studienzeit an ein paar Probetrainings teilgenommen, in denen College-Athleten vorspielten. Im Februar 2017 habe ich einen Anruf bekommen von einer Agentur, die wissen wollte, ob ich in fünf Tagen nach Schweden kommen könnte. Danach habe ich meine Sachen gepackt und bin nach Schweden. Hier habe ich bisher in der dritten Liga gespielt, da muss ich nebenher etwas arbeiten. Ich bin bei einem Elektroartikelhersteller im Kundensupport und Marketing tätig.

Zurück nach Deutschland zu ziehen, war keine Option?

Ich hatte mir schon als Ziel gesetzt, näher an Deutschland zu kommen. Ich hatte aber auch Bock auf ein neues Abenteuer. Als der Anruf kam, war ich richtig glücklich. Ich habe nicht so viel über Schweden gewusst, außer dass es hier schöne Natur gibt. Auch vier Jahre später sage ich noch immer: Es ist schon krass, wie still es hier in der Natur sein kann.

Klingt nicht nach einer baldigen Rückkehr nach Deutschland.

Ich habe mir einiges aufgebaut hier, habe einen guten Job, seit knapp zwei Jahren eine Freundin. Man weiß nie, was im Leben kommt. Meine letzten sieben Jahre haben mich gelehrt, dass man nichts ausschließen kann. Ich bin wirklich glücklich hier.