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In Südtirol und der Schweiz
Vier Deutsche sterben durch Lawinen in den Alpen

Lawinenunglück in Südtirol
Rettungskräfte suchen nach dem Lawinenabgang im Schnalstal nach Verschütteten. Foto: Uncredited/ANSA/AP/dpa
Zwei Familien fahren bei Sonnenschein eine Skiabfahrt in Südtirol hinunter. Auf einmal löst sich eine Lawine und begräbt die Sportler auf der Piste unter sich. Hat der Pistenbetreiber das Risiko falsch eingeschätzt? Und wie sicher ist die Fahrt auf der Piste generell?

Bozen (dpa) - Blauer Himmel, weiße Schneepracht und präparierte Pisten - alles versprach einen schönen Skitag. Eine Gruppe Deutscher mit mehreren Kindern fuhr die herrliche Talabfahrt im Skigebiet Schnalstal in Südtirol hinab, als sich über ihnen auf etwa 3000 Metern ein riesiges Schneebrett löste.

Die Lawine raste auf die gesicherte Piste und verschüttete die Sportler in der Nähe der Teufelsegg-Hütte, am Teufelseck also. Eine Frau und zwei sieben Jahre alte Mädchen verloren ihr Leben.

Die 35 Jahre alte Frau und eines der Mädchen stammen aus Hauteroda im Kyffhäuserkreis in Thüringen, erklärt die italienische Polizei. Die Mutter - eine Soldatin, wie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mitteilte - starb sofort. Ihre Tochter wurde noch mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus in Trient gebracht - dort erlag sie dann ihren Verletzungen. Der Vater war vor Ort, wurde aber nicht von der Lawine verschüttet.

Das andere Mädchen kommt aus Eschweiler in Nordrhein-Westfalen. Es starb sofort an der Unglücksstelle. Dessen Vater und der elf Jahre alter Bruder seien mit Verletzungen ins Krankenhaus nach Meran gekommen, sagte ein Polizeisprecher. Die Mutter werde wegen eines Schocks behandelt.

«Hier wurde großes Leid über eine Familie gebracht, die einfach ihren wohlverdienten Winterurlaub machen wollte», sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. Der Fall zeige einmal mehr, dass Naturkapriolen nicht zu unterschätzen seien.

Wie konnte es zu so einem Unglück mitten auf einer Piste kommen? Wer auf Skitouren abseits der Piste geht, muss mit Lawinen rechnen und ist meist mit Piepsern oder anderen Such- und Ortungsgeräten ausgerüstet. So starb ebenfalls am Samstag ein deutscher Tourengänger in einer Lawine in der Schweiz. Der Mann aus Baden-Württemberg hatte mit seinem Sohn auf dem Weg zum Stieltihorn die Skipisten verlassen. Auf einer Höhe von etwa 2700 Metern wurde der Vater von einer Lawine mitgerissen. In den Dolomiten in einer Tourenregion starb am Sonntag ein italienischer Skifahrer in einer Lawine.

Aber mitten auf einer Piste rechnen die wenigsten Sportler mit einem tödlichen Schneebrett. «Es ist ein außerordentlicher Fall», sagte der Sprecher der italienischen Bergrettung, Walter Milan. Eigentlich seien Pisten sicher.

Auch Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein spricht von einem extremen Einzelfall. «Das Risiko auf einer Piste bei einer Lawine zu Tode zu kommen, ist so derart gering.» Wesentlich wahrscheinlicher seien lebensgefährliche Stürze.

Betreiber müssen den Zustand der Piste und die Lawinengefahr kontrollieren. Niemand könne von den Urlaubern, die auf der Piste unterwegs seien, verlangen, den Lawinenlagebericht korrekt zu interpretieren, so Bucher. Dass Lawinenabgänge auf den Klimawandel zurückzuführen seien, hält er für nicht geklärt. «Es liegt zwar nahe, dass eine Zunahme extremer Wetterereignisse wie starker Wind das Lawinenrisiko insgesamt erhöhen, aber ein Zusammenhang (mit der Erderwärmung) ist nicht nachgewiesen.»

Die Betreiber können Pisten sperren, wenn sie die Situation für gefährlich halten. Oft werden Lawinen mit Sprengungen künstlich ausgelöst, um das Risiko für Skifahrer zu minimieren. Aber vollständige Sicherheit gibt es in den Bergen nie. «Man tut alles Menschenmögliche, aber ein Restrisiko bleibt», sagte Bucher.

An jenem Samstag herrschte Lawinenstufe 3 von 5. Das bedeutet «erhebliche Gefahr». Es blies ein scharfer Wind. Und Wind begünstigt Lawinen. Zudem seien die Temperaturen gegen Mittag angestiegen. Auch das ist ein Lawinenfaktor. «Der Hang über der Piste ist sehr steil, und mit dem Wind verhält sich Schnee wie Zucker auf einer Glasplatte», sagte Bergretter Milan.

Im Lawinenbericht der Region heißt es: «Vor allem in den Hauptniederschlagsgebieten und in hohen Lagen und im Hochgebirge sind mit dem stürmischen Nordwind einzelne mittlere spontane Lawinen möglich.» Einen Kilometer lang und 200 Meter breit soll das Schneebrett laut italienischen Medien gewesen sein.

Doch der Skigebietbetreiber hatte die Lage anders beurteilt. «Unsere Mitarbeiter haben am frühen Morgen die Lage geprüft und es gab keine Gefahr. Wenn sie Zweifel gehabt hätten, hätten sie die Talabfahrt bestimmt niemals geöffnet», sagte Thomas Konstantin Stecher von der Gletscherbahn im Schnalstal laut Nachrichtenagentur Ansa. Es sei nicht auszuschließen, dass Skifahrer abseits der Piste das Schneebrett ausgelöst hätten.

Allerdings hält die Polizei das für unwahrscheinlich. Es gebe bisher keine Hinweise, dass Tourengeher für das Unglück verantwortlich seien, sagte der Sprecher am Sonntag.

Es liegt nun an der Staatsanwaltschaft in Bozen, den Hergang zu klären. Die Behörde machte sich am Sonntag am Unglücksort ein Bild von der Lage. Gegen wen und wegen was ermittelt werden soll, war noch unklar.

Dass Lawinen über Pisten abgehen, passiert trotz aller Vorkehrungen wie Lawinenverbauungen immer wieder. Erst an Weihnachten verschüttete eine mächtige Lawine sechs Skiläufer auf der Piste im Schweizer Andermatt. Sie kamen allerdings mit dem Leben davon.

Glück hatte an diesem Wochenende in Südtirol auch Verkehrsminister Andreas Scheuer, der am selben Tag privat in der Skiregion unterwegs war. Nach Informationen der «Bild am Sonntag» soll er noch am Samstagabend Angehörige der Verunglückten aufgesucht haben, um ihnen zu kondolieren.

Lawinenreport für die Region