Stuttgart. Die dramatische Kassenlage der Kommunen mit sinkenden Einnahmen und stark steigenden Ausgaben bringt selbst einst wohlhabende Städte wie Stuttgart in Finanznot. Die Landeshauptstadt muss drastisch sparen und steht vor einer Neuverschuldung in Rekordhöhe. Sie plant daher den größten Sparhaushalt seit der Finanzkrise 2009. Trotz scharfer Kritik und Protesten, Petitionen und offenen Briefen soll der Doppelhaushalt am Freitag vom Gemeinderat verabschiedet werden.
Gewerbesteuern brechen weg
Die Stadt sei «in einer geradezu einzigartigen Zwangs- und Notlage», sagte Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper. «Wir stehen mit dem Rücken zu einer stählernen, eisigen Wand.» Die Einschnitte im Haushalt seien schmerzlich, aber nicht zu vermeiden. Denn ohne einen genehmigungsfähigen Haushalt drohe der Stillstand der Stadtverwaltung.
Ein zentraler Grund für die Misere sind wegbrechende Gewerbesteuereinnahmen – traditionell eine der wichtigsten Geldquellen der Kommunen. In den kommenden zwei Jahren muss Stuttgart deshalb knapp 800 Millionen Euro einsparen. «So wie die Stadt in wirtschaftlich starken Zeiten insbesondere von der Automobilindustrie und ihren Partnern profitierte, wirken sich Rückgänge bei Umsatz und Export nun direkt auf die städtischen Finanzen aus», erklärte Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU).
Konkret rechnet die Stadt für 2025 nur noch mit rund 750 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer. Ursprünglich waren etwa 1,2 Milliarden Euro eingeplant. Auch die Ansätze für 2026 und 2027 wurden deutlich nach unten korrigiert. «Wir müssen Prioritäten setzen. Einzelne Leistungen werden überprüft, Projekte zeitlich gestreckt und Einnahmen angepasst», sagte Fuhrmann.
Zuschüsse raus, Steuern hoch
Um Geld zu sparen, sollen – wie in vielen anderen Städten und Gemeinden – größere, noch nicht begonnene Vorhaben zurückgestellt werden. Zudem werden nur dringend benötigte Stellen besetzt, Zuschüsse und Förderprogramme gestrichen sowie eine Übernachtungssteuer eingeführt. Auch einige Parkgebühren, die Hundesteuer und die Zweitwohnungssteuer sollen steigen.
Gleichzeitig wachsen die Ausgaben weiter – etwa für zusätzliches Personal, Investitionen und Sozialleistungen. Die Folge: In der bis in jüngster Vergangenheit schuldenfreien Stadt sind ab 2026 laut Rathaus neue Kredite unvermeidbar, um etwa Schulen zu sanieren, Straßen zu reparieren und Schwimmbäder zu betreiben.
Sparhaushalt muss kommen
Für 2025 erwartet die Stadtkämmerei ein Defizit von rund 785 Millionen Euro. Auch für die Jahre 2026 bis 2030 rechnet sie mit jährlichen Fehlbeträgen von mehreren Hundert Millionen Euro. Um Investitionen zu finanzieren, plant die Stadt in diesem Zeitraum Kredite von insgesamt 2,4 Milliarden Euro. «Als Folge muss die Stadtverwaltung erstmals seit 2009 wieder einen Sparhaushalt aufstellen», hieß es im Rathaus. Mit dem Doppelhaushalt 2030/2031 wird wieder ein jährlicher Überschuss von rund 200 Millionen Euro angestrebt.
Verwirrung wegen falscher Formulierung
Eine klassische Insolvenz von Kommunen ist in Deutschland gesetzlich ausgeschlossen. Dennoch hatten Medienberichte für Aufsehen gesorgt, wonach die Stadt pleite sei und erklärt habe, die Zahlungsfähigkeit werde zum Jahresende «unter Null liegen». Dem widersprach das Rathaus: «Die Landeshauptstadt Stuttgart ist und bleibt zahlungsfähig», betonte ein Sprecher. Alle laufenden Verpflichtungen könnten und würden erfüllt. Die Stadt habe zuvor auf einer Themenseite lediglich «fälschlich formuliert».
Zuvor hatte unter anderem bereits Baden-Baden mit seinen leeren Kassen Schlagzeilen gemacht. Bis auf Weiteres kann sich die Stadt nur mit neuen Krediten über Wasser halten. Derzeit wird in Karlsruhe um eine «Liste des Grauens» mit mehr als 400 Kürzungsvorschlägen gerungen.
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