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EnBW schaltet Gericht ein

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Der Streit um die Klärschlammverwertungsanlage geht in die nächste Runde. Die EnBW will nun prüfen lassen, ob die bauliche Veränderungssperre auf ihrem Kraftwerks- gelände seitens des Walheimer Gemeinderats rechtens ist. Der Antrag wird beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim eingereicht. Nichtsdestotrotz setzt das Unternehmen weiterhin auf Dialog und ruft einen „Bürger:innenrat“ ins Leben.

Walheim. Gesprächsangebote seien einige gemacht worden, betonen die EnBW-Projektverantwortlichen Andreas Pick und Michael Class gestern in einem Pressegespräch. „Aber der Walheimer Gemeinderat verweigert sich und redet nicht mit uns, und wenn, dann nur unter der Bedingung, dass wir das Vorhaben aufgeben, auf dem Kraftwerksgelände eine Klärschlammverwertungsanlage zu planen und schlussendlich zu bauen.“ Warum der Funke für diese Anlage, für die das Energieunternehmen mehrfach geworben hat, nicht übergesprungen sei, kann Class sich nicht erklären. Denn nach einem bereits begonnen Dialog und einer wohlwollenden Grundstimmung, „hat der Walheimer Gemeinderat zu unserem großen Bedauern die bauliche Veränderungssperre beschlossen.“ Wie berichtet hatte sich das Gremium in seiner Septembersitzung zu diesem Schritt entschieden.

Diese Veränderungssperre würde jegliche Planungen des Unternehmens für den eigenen Standort auf Jahre hinaus blockieren, gibt Pick zu Bedenken. „Das greift nicht nur in den Betrieb unserer Anlagen, sondern auch in unser Eigentum ein. Wir wollen den Dialog mit der Gemeinde und der Bürgerschaft fortsetzen, sehen uns aber zu diesem juristischen Schritt gezwungen“, betont Pick, und damit „würde auch Rechtssicherheit für die weitere Diskussion geschaffen.“ Hierbei handelt es sich um das sogenannte Normenkontrollverfahren, das beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim eingereicht wird. Damit soll geprüft werden, ob der Beschluss rechtens ist. Dieses Verfahren ist eine verwaltungsrechtliche Prozessart, bei der die Gültigkeit von Rechtsnormen gerichtlich überprüft wird. „Man zwingt uns dazu, diesen Schritt zu gehen“, meint Class, der die Aussichten auf Erfolg als positiv bewertet.

Wie berichtet hatte die EnBW im Februar dieses Jahres in einigen Gemeinderäten des nördlichen Landkreises ihre Pläne für die Anlage zur Verwertung von regional anfallendem Klärschlamm vorgestellt. Landesweit werden mehrere solcher Anlagen benötigt. Denn im Zuge des geplanten frühzeitigen Ausstiegs aus der Kohle will die EnBW auch den Kraftwerksstandort Heilbronn zunächst auf klimafreundlicheres Gas und später klimaneutral auf Wasserstoff umrüsten. Dadurch entfällt die bisher mögliche Mitverbrennung und Entsorgung von Klärschlamm aus den umliegenden Gemeinden. Vor diesem Hintergrund will die EnBW ihre bestehende Energieinfrastruktur am Standort Walheim nutzen, um dort eine neue, eigenständige Verbrennungsanlage für Klärschlamm zu errichten. „Damit würden zugleich Städte und Gemeinden unterstützt, die für die Entsorgung und das spätere Phosphor-Recycling verantwortlich sind“, ergänzt Pick.

Sie habe „es heute erst erfahren, dass die EnBW vor den Verwaltungsgerichtshof zieht“, teilt Walheims Bürgermeisterin Tatjana Scheerle gestern auf Nachfrage mit. „Glücklich ist das nicht.“ Es habe sich ihrer Meinung nach abgezeichnet, dass der Gemeinderat die Veränderungssperre auf dem Kraftwerksgelände beschließt, die „EnBW hätte das vielleicht absehen können“. Es sei ein kommunales Instrument, um sich die Planungshoheit zu sichern. Dessen hat sich Walheim bedient. „Damit wollten wir uns das Mitspracherecht für die Weiterentwicklung des Geländes sichern“, sagt Scheerle, „der Gemeinderat hatte ja beschlossen, dass eine Mischung aus Wohn- und Gewerbeflächen sowie Tourismus entwickelt werden soll.“ Wie geht es nun weiter? „Das kann ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen“, betont Scheerle, „da möchte und muss ich mich erst mit dem Gemeinderat abstimmen.“

Auch wenn die Stimmen der Kritiker lauter sind, habe die EnBW „Hinweise, dass es durchaus andere Meinungen gebe, die die Kommune in der Verantwortung für die Klärschlammverbrennung in der Region sieht“, macht Andreas Pick deutlich. Er bedauert aber, dass nicht im Vorfeld der Entscheidung das Gespräch mit der EnBW gesucht worden sei, um über die offensichtlich bestehenden Vorbehalte zu sprechen.

Das Dialogangebot der EnBW an den Gemeinderat mache keinen Sinn, wenn Grundlage und Ergebnis der Bau der geplanten KVA bleiben soll, teilt Matthias Appelt von der Walheimer Initiative „Bürger im Neckartal“ mit. Die Gemeinderäte in den beiden am nächsten betroffenen Kommunen hätten eine „deutliche Ablehnung der KVA-Pläne beschlossen“. Die EnBW hätte im Juni in der öffentlichen Präsentation ihres Vorhabens eingeräumt, sich nicht über eine ablehnende Haltung der Gemeinde hinweg setzen zu wollen. „Davon scheint keine Rede mehr zu sein“, ärgert sich Appelt. „Wir fordern die EnBW auf, in einen Dialog mit der Gemeinde einzutreten, um eine Nutzung zu entwickeln, die in dem engen Neckartal den Belangen von Mensch und Umwelt gerecht werden.“

In den massiven Protesten der Gemmrigheimer und Walheimer hat die Bürgerinitiative ihren Ursprung. Hauptkritikpunkte der Anrainer sind der befürchtete Gestank, ein erhöhtes Verkehrs- und Lärmaufkommen sowie eine sinkende Lebens- und Wohnqualität. Die Positionen der Bürgerinnen und Bürger sind nun auch bei den Stellungnahmen zum Flächennutzungsplan deutlich geworden, wo mehr als 900 Walheimer und Gemmrigheimer ihre Bedenken gegen die geplante Klärschlammverbrennungsanlage auf dem Gelände in der Mühlstraße geäußert haben.