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Prozesseröffnung
Automatensprengung in Erligheim: Trotz Beweisen bleibt vieles unklar

Tatort Erligheim: die örtliche Sparkassen-Filiale am Morgen nach der versuchten Sprengung. Archivfoto: Alfred Drossel
Tatort Erligheim: die örtliche Sparkassen-Filiale am Morgen nach der versuchten Sprengung. Foto: Alfred Drossel
Zwei Männer haben vermutlich einen Geldautomaten gesprengt und dabei rund 135.000 Euro erbeutet. Dann wollen die beiden mutmaßlichen Räuber einen zweiten Automaten knacken. Dabei hat die Polizei die Männer aber bereits im Visier: Einer der Täter wird bei dem Einsatz erschossen, der zweite muss sich seit gestern vor dem Heilbronner Landgericht verantworten.

Erligheim/Heilbronn. Als die beiden Männer sich in der Nacht des 12. November 2020 am Geldautomaten der Erligheimer Kreissparkasse zu schaffen machen wollen, sind sie nicht allein. Sie werden beobachtet und fotografiert von Polizeibeamten des Mobilen Einsatzkommandos. Sie schlagen zu, als einer der beiden Bankräuber den Vorraum der Filiale betritt und sich an dem Bankautomaten zu schaffen machen will. Der Tatverdächtige geht mit einem Schraubendreher auf die Beamten los und stirbt durch Schüsse aus den Dienstwaffen. Der mutmaßliche Komplize versucht zunächst zu flüchten, wird aber von der Polizei in der Nähe des Tatorts festgenommen. Seit dem 13. November sitzt der nun 29-jährige Angeklagte in Schwäbisch Hall in Untersuchungshaft. Seit gestern muss er sich in Heilbronn vor dem Landgericht verantworten, und zwar nicht nur für die gescheiterte Sprengung des Geldautomaten in Erligheim.

Der Angeklagte soll auch am 20. Oktober an einem Beutezug in Besigheim-Ottmarsheim, bei dem rund 135.000 Euro gestohlen worden sind, beteiligt gewesen sein. Nach Angaben der Staatsanwältin sollen die beiden Männer in den Vorraum der Kreissparkasse eingedrungen sein. Dort sollen sie Gas aus gestohlenen Flaschen in den Geldautomaten eingeleitet und das Gemisch gezündet haben. Die Explosion habe einen „völlig zertrümmerten Raum hinterlassen“.

Die mutmaßlichen Täter können mit der Beute mit einem tags zuvor gestohlenen Fahrzeug flüchten, an dem gestohlene Kennzeichen angebracht waren. Der Wagen wird später im Gewerbegebiet von Ottmarsheim entdeckt. Es soll versucht worden sein, die Spuren mit einem Feuerlöscher zu beseitigen. Ob er die Vorwürfe einräumt, ist zum Prozessauftakt noch nicht deutlich geworden. Ihr Mandant werde sich wahrscheinlich am kommenden Verhandlungstag, am 31. Mai, dazu äußern, sagt seine Verteidigerin.

Nach seiner Festnahme gibt der aus dem westfälischen Lüdenscheid kommende 29-Jährige bei der Vernehmung an, er habe am Tattag nur einen Spaziergang machen wollen. Allerdings sei der mutmaßliche Täter „doppelt bekleidet“ gewesen, gibt ein Polizeibeamter an, der als erster in den Zeugenstand tritt: Unter der Jogginghose habe der Angeklagte eine Jeans getragen, eine Softshelljacke über einer grauen Jacke. „Es war in der Nacht zwar kalt, hatte aber keine Minusgrade“, sagt der Beamte. Darauf angesprochen habe der mutmaßliche Täter geantwortet, es sei „normal bei diesen Temperaturen doppelte Bekleidung zu tragen“.

Zudem habe der 29-Jährige über seinen schwarzen Turnschuhen schwarze Socken angehabt. In einem schwarzen Rucksack seien dunkle Handschuhe, ein schwarzes Halstuch sowie ein Taschenmesser und eine Taschenlampe gewesen. Er sei „zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und es sei alles nur ein Missverständnis“, habe der Angeklagte in der Nacht seiner Festnahme zu Protokoll gegeben.

Eine „blöde Situation“ sei das jetzt, sagte der Mann vor Gericht. Er sei das erste Mal in Haft. Die ersten beiden Wochen seien so schwer für ihn gewesen, dass er das Gespräch mit einem Pfarrer gesucht habe. Mit seiner in Horb am Neckar lebenden Verlobten habe er nach Bonn ziehen wollen. Nach einer Ausbildung habe er ein Studium angefangen, das aber nicht zu Ende gebracht, erzählt der 29-Jährige, dadurch habe er Schulden in Höhe von rund 30000 Euro. Er habe als Bauleiter unter anderem im Irak und Turkmenistan gearbeitet, sei 2018 nach Deutschland zurückgekehrt, um seinen Vater bei der Gründung einer Autowerkstatt mit einem Fahrzeughandel zu unterstützen. Lohn habe er dafür keinen bekommen, „ich habe ja kostenlos zu Hause gewohnt“. Der Führerschein sei ihm entzogen worden, weil er im Ausland für zu schnelles Fahren zu viele Punkte angesammelt hat. Alkohol und Drogen konsumiere er nicht.

Während nach seinem 58 Jahre alten mutmaßlichen und erschossenen Komplizen wegen Geldautomatensprengungen und Einbrüchen europaweit gesucht worden war, ist der 29-jährige Angeklagte bis dahin ein unbeschriebenes Blatt für die Polizei gewesen.

Das Vorhaben in Erligheim durchkreuzt eine Bankmitarbeiterin. Aufgrund der Coronapandemie habe sie sich in einem Büro in der geschlossenen Filiale zurückgezogen. „Ich wollte gerade Feierabend machen, als ich durch den Türspion beobachtet habe, dass jemand eine Verblendung unterhalb des Geldautomaten verbogen hat.“ Sie habe daraufhin ihren Chef angerufen, der die Polizei verständigt hat. „Die Person war mir nicht bekannt“, sagt die Frau vor Gericht, „zudem trug der eine medizinische Maske. Aber von der Statur her war es ein Mann.“