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Berufe
Härterer Wettbewerb um Nachwuchs

„Dieser Job macht enorm Spaß“: Der Auszubildende Emanuele Invelito arbeitet zusammen mit dem stellvertretenden Küchenchef Falk Peukert an einem Herd des Hotel-Restaurants Otterbach in Bietigheim-Bissingen.Foto: Alfred Drossel
„Dieser Job macht enorm Spaß“: Der Auszubildende Emanuele Invelito arbeitet zusammen mit dem stellvertretenden Küchenchef Falk Peukert an einem Herd des Hotel-Restaurants Otterbach in Bietigheim-Bissingen. Foto: Alfred Drossel
Zahl der Auszubildenden im Hotel- und Gaststättengewerbe, Fleischer- und Bäckerhandwerk sinkt – Industrie als Konkurrenz

Bietigheim-Bissingen/Sachsenheim. Emanuele Invelito schneidet rote Zwiebeln für die Rote-Beete-Vorspeise, die er an diesem Montagvormittag in der Küche des Hotel-Restaurants Otterbach zubereitet. Der 20-Jährige lernt dort den Beruf des Kochs und hat sein Hobby damit professionalisiert: Schon daheim, in seiner Freizeit, habe er immer gern gekocht, erzählt Invelito. Jetzt ist er im dritten Lehrjahr, „dieser Job macht enorm Spaß, man hat viele Möglichkeiten und kann kreativ sein“. Desserts und „alles mit Schokolade“ bereite er am liebsten zu, sagt Invelito.

Der Auszubildende scheint seinen Traumberuf gefunden zu haben. Die vergleichsweise ungewöhnlichen Arbeitszeiten – Köche arbeiten oft dann, wenn andere frei haben, abends und am Wochenende – stören den jungen Mann nicht: „Ich habe keine Probleme damit, man muss flexibel und auf diese Arbeitszeiten eingestellt sein.“ Dafür hat Invelito oft dann frei, wenn andere arbeiten müssen.

Klaus Bernhard Schmid, Küchenchef im Hotel-Restaurant Otterbach, macht Bewerbern auf eine Ausbildungsstelle immer klar, dass sich das Freizeitleben von angehenden Köchen ändern wird: Freunde könnten nicht mehr ohne weiteres am Abend getroffen werden, das Fußballtraining oder das Spiel am Wochenende müssten im ungünstigen Fall abgesagt werden – vor allem im zweiten und dritten Lehrjahr könne das passieren, sagt Schmid den Bewerbern.

„Viele beginnen eine Ausbildung, beenden sie aber nicht“, so der 54-Jährige. Er sei über jeden Bewerber froh. Denn immer weniger junge Leute zieht es ins Hotel- und Gaststättengewerbe, die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge sinkt. Die Verantwortlichen des Hotel-Restaurants Otterbach etwa hätten 2019 gern Auszubildende eingestellt, doch es gab keine Bewerbungen, weder für eine Arbeit in der Küche noch als Hotelfachkraft. Eine Auszubildende brach ab, weil ihr das Gehalt zu niedrig gewesen sei, sagt Ausbildungsleiterin Tabea Schmid.

Beispiel Koch: Bis zum Ende des Ausbildungsjahrs am 31. August 2015 wurden in der Region Stuttgart 184 neue Verträge abgeschlossen. In den folgenden Jahren sank diese Zahl auf 169 (Ende August 2019) und auf 104 Ende August dieses Jahres (das wegen der Coronakrise aber nicht repräsentativ ist). Wie die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart weiter mitteilt, sind die Zahlen im Kreis Ludwigsburg bis zum Ende des jeweiligen Ausbildungsjahres immerhin vergleichsweise konstant (zwischen 20 und 25 Neuverträge) geblieben – mit einem Ausreißer nach oben (37) im Jahr 2017.

Der Trend im Beruf Koch und in der gesamten Branche aber geht in die andere Richtung. „Der Rückgang der Ausbildungszahlen im Hotel- und Gaststättengewerbe in den vergangenen Jahren ist aus Branchensicht natürlich unbefriedigend, weil der Fachkräftebedarf des Gastgewerbes spätestens nach Überwindung der Coronakrise wieder hoch sein wird. Das gilt gerade im wichtigen Ausbildungsberuf zum Koch und zur Köchin“, sagt Daniel Ohl, Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Baden-Württemberg. Sinkende Schülerzahlen und „der härter gewordene Wettbewerb der Branchen um talentierte Nachwuchskräfte machen es für die Betriebe des Gastgewerbes nicht einfacher, geeignete Bewerbungen für offene Ausbildungsplätze zu bekommen.“

Für die „schönen, vielseitigen Berufe des Hotel- und Gaststättengewerbes“ wirbt der Dehoga mit der Kampagne „Wir Gastfreunde“ an Schulen und, sofern sie stattfinden, auf Messen. Dazu gehöre auch, Auszubildende und Betriebe zu unterstützen, laut Ohl etwa mit Weiterbildungsangeboten.

Im Fleischerhandwerk gibt es ebenfalls immer weniger Auszubildende. Deren Zahl in Deutschland sinkt seit 20 Jahren kontinuierlich – laut dem Marktforschungsunternehmen Statista von gut 9500 im Jahr 2000 auf gut 2800 im vergangenen Jahr. Daniel Flögel sucht seit zwei Jahren einen Lehrling, „wir sind aber noch nicht fündig geworden“.

Flögel arbeitet als Abteilungsleiter der Metzgerei im Frischemarkt Bachmann, einem inhabergeführten Edeka-Markt im Sachsenheimer Stadtteil Hohenhaslach. In seinem Beruf müsse man sich „die Hände dreckig machen und körperlich mit anpacken“ – einer der Gründe, warum viele junge Leute nicht Metzger werden wollten, sagt Flögel.

Der 35-Jährige, der in einer anderen Firma Lehrlinge betreute und ausbildete, hat über Jahre Erfahrungen gemacht, die er so zusammenfasst: Viele junge Leute wollten einen Bürojob und sofort möglichst viel Geld verdienen. Die Industrie zahle deutlich mehr als ein kleiner Lebensmittelmarkt, der sich aber an den Löhnen orientiere, die die Handwerkskammer vorschlage, wie Flögel betont.

Oft habe er den Eindruck gehabt, dass junge Leute ihre Ausbildung im Fleischerhandwerk nur deshalb absolvierten, „weil die Eltern es gesagt haben, damit man überhaupt was hat“. Doch habe es keinen Sinn, einen Beruf zu erlernen, an dem man wenig oder kein Interesse habe. Dabei könne ein Metzger kreativ arbeiten, etwa Feinkostartikel oder Pasteten herstellen. „Dazu gehört viel detailliertes Hintergrundwissen.“

Auch die Arbeit im Bäckerhandwerk sei kreativ, betont Frank Sautter, Geschäftsführer der Bäckerinnung Region Stuttgart Nord. Man könne ein Produkt „entwickeln, mitgestalten und sehen, wie es entsteht, vom Anfang bis zum Ende“. Trotzdem sinke im Bäckerhandwerk die Zahl der Auszubildenden, auch im Landkreis Ludwigsburg und in der Region Stuttgart. Sautter: „Das ist ein über Jahre hinweg erkennbarer Trend.“ In Baden-Württemberg gab es bei den Bäckern 2014 noch 399 abgeschlossene Ausbildungsverträge, 2019 noch 339. Bei den Bäckereifachverkäuferinnen sank die Zahl innerhalb von fünf Jahren von 756 auf 494.

Sautter macht drei Hauptgründe für den Rückgang aus: Erstens den demografischen Wandel (es gibt insgesamt weniger Auszubildende), zweitens die Angebote der Industrie, „mit denen das Handwerk nicht mithalten kann“. Und drittens die Arbeitszeiten: Dazu gehören die immer längeren Öffnungszeiten im Einzelhandel und in Supermärkten, dazu gehört auch das frühe Aufstehen. „Als angehender Bäcker“, sagt Sautter, „hat man deshalb einen anderen Lebensrhythmus als viele Gleichaltrige“.