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Stadtbahn
Verteidiger der grünen Möglinger Lunge

Und hier sollen in fünf oder sechs Jahren Züge im Vorlaufbetrieb unterwegs sein? „Grober Unfug“, finden Felix Hoos (links) und Kolja Berg von der Bürgerinitiative „Weichenstellung Stadtbahn Möglingen“. Foto: Holm Wolschendorf
Und hier sollen in fünf oder sechs Jahren Züge im Vorlaufbetrieb unterwegs sein? „Grober Unfug“, finden Felix Hoos (links) und Kolja Berg von der Bürgerinitiative „Weichenstellung Stadtbahn Möglingen“. Foto: Holm Wolschendorf
Wir befinden uns im Jahr 2021 nach Christus. Der ganze Landkreis will endlich eine Stadtbahn fahren sehen. Der ganze Landkreis? Nein! In Möglingen legt eine Bürgerinitiative den Finger in die Wunde.

Möglingen. Felix Hoos hat nachgemessen. Von seinem Gartenhaus am Sperlingweg in Möglingen zum Bahndamm sind es nur 3,80 Meter. Jetzt im Sommer ist von dem Gleiskörper kaum etwas zu sehen. Die Natur hat sich die Flächen, auf denen seit Jahren keine Züge mehr gefahren sind, zurückgeholt. Imposante Bäume und üppige Sträucher wuchern hier. Der Bahndamm ist Heimat für Lurche, Eidechsen oder Brutplatz für Vögel. „Er ist die grüne Lunge Möglingens“, sagt Hoos – die in den kommenden Jahren womöglich geopfert wird, um wieder Züge zwischen Markgröningen, Möglingen und Ludwigsburg aufs Gleis zu setzen.

2026 oder 2027 könnte es schon nach dem Willen des Landrats Dietmar Allgaier, des neuen Chefs des Stadtbahn-Zweckverbandes, Frank von Meißner, und der Anliegerkommunen so weit sein. Das gaben sie zu Wochenbeginn bei der Gründungsversammlung des Zweckverbandes an. „Man erwartet von uns, dass wir Nägel mit Köpfen machen“, sagte von Meißner auf einem Pressegespräch. Erst danach sollen Äste von Remseck nach Pattonville und Ludwigsburg sowie in die Ortsteile der Kreisstadt folgen.

Die Kosten allein für die Markgröninger Bahn werden auf etwa 30 Millionen Euro geschätzt. Das Gesamtprojekt schlägt mit mindestens 250 Millionen Euro zu Buche. Der Ludwigsburger Kreistag hat mit großer Mehrheit für das Vorhaben gestimmt, wie auch die Städte und Gemeinden entlang der Strecke.

Felix Hoos erwartet vom Landrat, dem Zweckverbandschef und der Möglinger Bürgermeisterin Rebecca Schwaderer nicht, dass Nägel mit Köpfen gemacht werden. Er hat in diesem Jahr eine Bürgerinitiative mit auf die Beine gestellt, die sich „Weichenstellung Stadtbahn Möglingen“ nennt. Ihre Forderung: die Weichen richtig zu stellen.

Die Bürgerinitiative beklagt, dass eine Reaktivierung Möglingen geografisch in zwei Bereiche teilen und rund 1000 Immobilienbesitzer Lärm, Dreck und Vibrationen aussetzen würde. Außerdem verlaufe die Trasse entlang von Kindergärten, Spielplätzen oder einem Altenheim. „Bahnübergänge an Nadelöhren werden zudem die Verkehrsprobleme im Ort verstärken“, sagt Kolja Berg, der mit seiner Familie im Quartier Grabenäcker wohnt und der Bürgerinitiative ebenfalls angehört. „Wir sind keine militanten Stadtbahngegner, die sich an die Gleise ketten“, sagt seine Frau Olympia Berg. „Wir wollen nur, dass die Menschen sachlich über das Projekt informiert werden.“ Dafür haben sie einen Flyer aufgelegt, der ihnen von Stadtbahnbefürwortern prompt eine Anzeige eingebracht hat – weil das Impressum wohl nicht vollständig war.

Kolja Berg kritisiert, dass die Strecke zunächst nur die Bahnhöfe in Markgröningen und Ludwigsburg verbindet (mit zwei Zusteigemöglichkeiten unter anderem am Möglinger Bahnhof und im Löscher), und zwar im Vorlaufbetrieb mit Zwei-System-Fahrzeugen, die halb Zug und halb Stadtbahn sind – und eben nicht über moderne und geräuscharme Niederflurtechnik verfügen. „Das ist grober Unfug“, sagt er. Darüber hinaus sei es nötig, den alten Bahndamm vor Inbetriebnahme abzutragen und für Lärmschutz zu sorgen. „Wir haben es hier mit einem Neubauprojekt zu tun“, das womöglich an den Bedürfnissen der Pendler vorbeigeht?

Die Bürgerinitiative gibt zu bedenken, dass die Leute eher zu Porsche nach Zuffenhausen müssen oder zu Bosch nach Schwieberdingen. Eine Anbindung der Nachbargemeinde mit seinem großen Arbeitgeber ist zwar angedacht, aber Zukunftsmusik. Möglinger Schüler, die nach Markgröningen oder Ludwigsburg fahren, würden von dem Bahnprojekt ebenfalls kaum profitieren. „Da sind sie deutlich schneller mit dem Bus“, sagt Kolja Berg. „Momentan fürchten wir teuren politischen Aktionismus und Planungen, die auf verjährten Annahmen und einem schöngerechneten Nutzen basieren.“

Mit der Bürgermeisterin ist die Initiative bereits in „einem konstruktiven Dialog“. Nach Pfingsten gab es ein Treffen im Rathaus. Für Schwaderer, die im Zweckverband zur Vertreterin des Vorsitzenden Allgaier gewählt wurde, ist es wichtig, dass die Stadtbahn jetzt nach Möglingen kommt. „Dass sie direkt durch den Ort fährt, bringt aber Herausforderungen mit sich.“ Die Rathauschefin verspricht, sich bei den weiteren Planungen dafür einzusetzen, dass die Lebensqualität der Möglinger möglichst wenig beeinflusst werde.

Die Bürgerinitiative hat nun vor, mit dem Landrat Dietmar Allgaier vor Ort zu diskutieren und ihre Ansichten darzulegen. „Jeder hätte gerne eine Stadtbahn, aber in sinnvoller Ausführung“, sagt Felix Hoos. Für cleverer hält er ein anderes Vorhaben: den Ausbau der Möglinger Bahnstrecke zur Radautobahn, mit Ludwigsburg als Drehkreuz zum bereits in Planung befindlichen Radschnellweg in Richtung Waiblingen.

Info: Die Bürgerinitiative „Weichenstellung Stadtbahn Möglingen“ ist unter E-Mail: weichen-moeglingen@gmx.de zu erreichen.

„Wir fürchten teuren Aktionismus und einen schöngerechneten Nutzen.“

Kolja Berg
Bürgerinitiative