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Tipis, Lagerfeuer und Saloons
Wie der Wilde Westen nach Sersheim gekommen ist

Das Lagerleben hat in Sersheim wieder begonnen: Seit 43 Jahren treffen sich hier Westernfreunde aus ganz Deutschland. Foto: Alfred Drossel
Das Lagerleben hat in Sersheim wieder begonnen: Seit 43 Jahren treffen sich hier Westernfreunde aus ganz Deutschland. Foto: Alfred Drossel
Sie schlafen in Tipis, sitzen am Lagerfeuer oder im Saloon und kochen Beerensuppe: In Sersheim pflegen Westernfreunde mit Inbrunst die Lebensweise der Indianer. Jetzt beginnt wieder eines der größten Wildwestlager im Südwesten.

Sersheim. Es war vor 43 Jahren, als einige Enthusiasten um „Graubart“ Robert Supper daran gingen, diese Tradition wieder aufleben zu lassen und auf den Streuobstwiesen im Sersheimer Süden das erste Wildwestlager aufbauten. Nun stehen wieder mehr als 50 Tipis und Lodges in der Gemeinde – viele sind seit Sonntag bewohnt. An diesem Donnerstag findet erstmals ein Lagerschießen statt.

Das Sersheimer Wildwestlager erinnert an die Jahre von 1824 bis 1839, als sich die Trapper, Indianer und Fellhändler zu einer Handelsmesse an den Quellflüssen von Wind, Bighorn und Sweetwater in Montana und Wyoming zu Informationsbörsen und Zechgelagen trafen. Die mehr als 300 Hobbyisten in Sersheim kleiden sich deshalb gerne nach indianischer Art, manche verwandeln sich in Cowboys oder schicke Südstaatenladys. Ihre Tipis und Lodges statten die Teilnehmer mit Relikten von damals aus. Die Baumgrundstücke in Sersheim befinden sich alle im Besitz von Robert Supper.

Die Westernfreunde und der Schützenverein - das passt nicht mehr

Eines hat sich allerdings geändert: Die einstigen Partner, die Westernfreunde und der Schützenverein Sersheim, haben sich getrennt. „Da gibt es keine Gemeinsamkeiten mehr“, sagt der 82-jährige Supper. Der Schwarzpulver-Schießbetrieb findet jedoch weiterhin auf den Schießbahnen des Schützenvereins statt.

Der 71-jährige Fell-Siggi aus Walldürn im Odenwald ist seit 1978 in Sersheim dabei. Zusammen mit seiner Frau bewohnt er ein Zelt. Sein Laden hat alles im Angebot: vom Indianerschmuck bis zum Bärenfell. „Mich fasziniert das Lagerleben“, schwärmt darüber hinaus die 32-jährige Bautechnikerin Tanja aus Esslingen. Für zweieinhalb Wochen geht sie in Sersheim auf Zeitreise, und zwar seit 27 Jahren. Alex, der Trapper, ist eigentlich Berufskraftfahrer aus Karlsruhe. Für ihn sei es wichtig, die Zeit zu nutzen, um hier zu entschleunigen. Der 41-jährige Industriemechaniker Manuel und die 46-jährige Apothekenhelferin Martina, ebenfalls aus Karlsruhe, stimmen ihm zu.

Ein paar Tage wieder so leben, wie es früher einmal war

„Ich bin eigentlich seit meiner Geburt vor 30 Jahren da“, erzählt unterdessen Robin, der von Beruf Bäckereifachverkäufer ist. Zusammen mit seinem Vater, den alle auf dem Platz „Mississippi“ nennen, sei er in Sersheim groß geworden. Erstmals dabei ist seine Freundin Viola. Beide haben ein neues Tipi bezogen, das sie nachts mit offenem Feuer heizen. Schön kuschelig sei es hier. „Wir genießen neben der Geselligkeit vor den Zelten unter blühenden Obstbäumen auch die Ruhe der Zweisamkeit“, sagt Robin.

Nach 43 Jahren zieht „Graubart“ Robert Supper Bilanz: Den Hobby-Westmännern gehe es gemeinschaftlich um die Pflege der überlieferten Tradition und das Tragen der Kostüme mit viel Liebe zum Detail – und natürlich um das Lagerleben in den Tipis. Das sei auch der Erfolg des Sersheimer Lagers. „Der Reiz für die meisten Teilnehmer besteht darin, ein paar Tage wieder so zu leben, wie es früher einmal war“, sagt er – ohne Strom, mit Kochen am offenen Lagerfeuer.

Computer und Smartphones werden im Lager als störend empfunden

Wasser zum Trinken und zum Waschen muss in Eimern zum Zelt transportiert werden. Computer, Handys oder Smartphones sind laut Supper verpönt und würden die Idylle im wilden Sersheimer Westen stören.

Klar ist, dass das Lager auch dieses Mal wieder viele Besucher anlocken wird.