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Rückzug
Bier brauen statt Aktenstudium: Andreas Rothacker verabschiedet sich aus dem Ludwigsburger Gemeinderat

Biersommelier Andy Rothacker führt am Freitag bei der LKZ-Veranstaltung „Beer Beatz“ in die Welt der Gerstensäfte ein. Archivfoto: Holm Wolschendorf
Biersommelier Andy Rothacker führt am Freitag bei der LKZ-Veranstaltung „Beer Beatz“ in die Welt der Gerstensäfte ein. Foto: Holm Wolschendorf
Nächste Woche verlässt Andreas Rothacker (Freie Wähler) den Gemeinderat. Grund für den Rückzug sei nicht der politische Stillstand, den er in Ludwigsburg empfindet, sondern neue Herausforderungen: zum Beispiel Bier brauen und Menschen heilen.

Ludwigsburg. Eine stilvoll eingerichtete Altbauwohnung im Herzen Ludwigsburgs. Andreas Rothacker öffnet barfuß die Tür. Er wirkt äußerst entspannt. „Ich bin von Haus aus ein sehr ruhiger Mensch“, sagt er. Das hätte man nicht unbedingt erwartet, wenn man ihn die vergangenen acht Jahre im Gemeinderat beobachtet hat.

2014 ist der Braumeister zum ersten Mal gewählt worden. 45 Jahre war er da. „Ich wollte der Stadt etwas zurückgeben“, sagt Rothacker, der tief in der Gastroszene Ludwigsburgs verwurzelt ist. 2019 wurde er noch einmal gewählt. „Die ersten vier Jahre waren superspannend.“ Seit 2018 gehe in Ludwigsburg aber relativ wenig voran. Ihm sei oft vorgeworfen worden, dass seine Redebeiträge zu kurz sind. In den langen verbalen Auseinandersetzungen liegt für ihn aber genau das Problem: „Oft werden Sachen zu Tode diskutiert.“

Brauerei in Feuerbach übernommen

Dass er jetzt aufhört, hat aber nichts mit dem schleppenden Tempo bei der Weiterentwicklung Ludwigsburgs zu tun. Sondern mit zu wenig Zeit. „Ich muss noch 15 Jahre arbeiten. In dieser Zeit möchte ich noch etwas bewegen.“ Beruflich ist Rothacker mittlerweile so stark eingespannt, dass ihm für seine Rolle als Gemeinderat nicht mehr genug Zeit bleibt. An den letzten Online-Sitzungen der Ausschüsse hat er teilweise aus seiner Brauerei teilgenommen. „Und wenn man es nicht mehr richtig ausüben kann, dann sollte man es lassen.“ Allerdings findet er es schade, dass es für Unternehmer zeitlich oft nicht möglich ist, das Amt eines Stadtrats auszuüben. „Eigentlich sollten davon mehr dabei sein.“

Den Entschluss, aufzuhören, hat er schon letzten Sommer gefasst. Da hatte Rothacker gerade eine Brauerei mit Flaschenabfüllung und Biergarten in Feuerbach übernommen. Die läuft sehr erfolgreich und beliefert mehrere Supermärkte in Süddeutschland mit Bier der Rossknecht-Linie, die Rothacker um einige Sorten erweitert hat. Die Möglichkeit, Flaschen abzufüllen, hatte er bisher nicht. Sein Arbeitsvolumen mit zwei Restaurants, einer Kneipe und jetzt noch der Brauerei ist aber nicht kleiner geworden.

Ausbildung zum TRE-Coach

Und Rothacker hat darüber hinaus noch ein völlig anderes Feld für sich entdeckt: Mittlerweile ist er Coach für „Tension & Trauma Releasing Exercises“, kurz TRE. Hinter der Bezeichnung steckt eine Methode, mit der traumatische Erfahrungen oder starke Stressbelastungen behandelt werden. „Das ist eine reine Körperarbeit, von innen heraus“, sagt Rothacker. Im Zentrum stehen Zitter-Übungen, die dem Körper zurück in sein Gleichgewicht helfen sollen.

Nach einem schweren Fahrradunfall vor zwei Jahren hat Rothacker selbst mit TRE seine Beschwerden hinter sich gelassen. Einen Corona-Lockdown im vergangenen Jahr hat er dann dazu genutzt, sich in Berlin zum TRE-Coach ausbilden zu lassen.

Beim Blick zurück auf die Kommunalpolitik fallen ihm einige Erfolge ein, aber auch Entwicklungen, mit denen sich Ludwigsburg seiner Meinung nach auf einem Holzweg befindet. Die Turnhalle in Hoheneck ist für ihn so ein gelungenes Beispiel. Mit Unterstützung der Freien Wähler wurde für den Bau ein Generalübernehmer beauftragt, der sich um alles kümmert. Die neue Halle konnte dadurch zu einem Festpreis errichtet werden, der weit unter den Berechnungen der Stadtverwaltung lag. Für Rothacker hätte diese Variante Schule machen können. Aber außer in Hoheneck wurde nie wieder ein Generalübernehmer beauftragt. Stattdessen werde in Ludwigsburg weiterhin viel zu hochwertig gebaut. „Wir werden in nächster Zeit kein Geld mehr haben. Aber das hat niemand verstanden“, bilanziert er pessimistisch.

Als Unternehmer sei er eine andere Denkweise gewöhnt. Einen Betrieb könnte man so jedenfalls nicht führen. „Wie die Stadt mit Geld umgeht, ist traurig.“ Es sei egal, ob es dabei um Steuer- oder Fördergelder geht – am Ende sei es immer das Geld der Bevölkerung.

Ein Apotheker rückt für ihn nach

Auch auf die Diskussion um die Stadtbahn blickt er nicht gerade zuversichtlich. „Damit sind wir heute nicht weiter als 2018.“ Von der Strecke durch die Innenstadt hält er nichts. Vielen Ludwigsburgern sei gar nicht klar, dass dadurch viele Buslinien wegfallen würden. Generell macht es für Rothacker keinen Sinn, dass Ludwigsburg sich immer mit europäischen Großstädten, etwa Barcelona oder Paris, vergleicht. Ludwigsburg habe einen eigenen Charme und dieser liege ihm am Herzen.

Das wichtigste Projekt ist in seinen Augen momentan der Busbahnhof. Der hätte schon längst gebaut werden müssen.

Vor allem mit den Grünen ist Andreas Rothacker oft aneinandergeraten. Grund dafür waren die Themen Radfahren und Autoverkehr. Für den scheidenden Stadtrat ist wichtig, dass die Innenstadt weiter für Autofahrer erreichbar bleibt. „Alles andere würde den Tod für die Innenstadt bedeuten.“ Von den Grünen höre er dagegen immer nur „Fahrrad, Fahrrad, Fahrrad“. Er schließt aber aus, dass ein Großteil der Pendler in Zukunft mit dem Rad zur Arbeit fahre.

Für Rothacker wird der Apotheker Kilian Raasch (Zentral-Apotheke) in die Reihen der Freien Wähler nachrücken. „Diese Tatsache macht es mir leicht, aufzuhören.“