Leiter der Agentur für Arbeit Ludwigsburg
Während Unternehmen und Arbeitgebende dringend Nachwuchskräfte benötigen, wird die Zahl derjenigen, die eine duale Ausbildung beginnen, kleiner statt größer. Die Ausbildungsmarktbilanz 2024/2025 liefert eine Botschaft, die Personalverantwortliche schon lange spüren: Wir haben keinen Mangel an Ausbildungsplätzen – wir haben einen Mangel an Passung. Und dieser Passungsmangel kann vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zur zentralen Wachstumsbremse unserer regionalen Wirtschaft werden. Es wurden erneut mehr Ausbildungsstellen gemeldet als Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz zur Verfügung standen, doch bis zum Bilanzstichtag am 30.09. begannen weniger Jugendliche eine Ausbildung als im Vorjahr. Und (zu) viele Ausbildungsplätze blieben unbesetzt.
Gleichzeitig stieg die Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber. Was wie ein Rechenfehler klingt, ist in Wahrheit ein Systemfehler. Betriebe finden keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber; Bewerberinnen und Bewerber finden keine passenden Betriebe. Für Arbeitgebende ist diese Entwicklung alarmierend. Vor allem das verarbeitende Gewerbe – das Rückgrat des industriellen Mittelstands – zeigt seit Jahren eine sinkende Ausbildungsbereitschaft. Und es sind genau diese Branchen, deren Rückzug den Markt verschiebt. Während Handwerk und Dienstleistungssektor weiter ausbilden, fehlen industrielle Perspektiven, die viele Jugendliche noch immer als attraktiv wahrnehmen.
Die Folge: ein wachsender Überhang an Ausbildungsplätzen, die nur schwer zu besetzen sind, insbesondere in den Bereichen Handel, Verkauf, Herstellung von Lebensmitteln, Lager, Pflege, Sanitär oder Bau. Gleichzeitig berichten Unternehmen und Bildungseinrichtungen zunehmend von Schulabgängerinnen und Schulabgängern, die den Anforderungen einer dualen Ausbildung körperlich, psychisch oder sozial nicht gewachsen sind. Das ist kein Vorwurf an die Jugendlichen – es ist ein Auftrag an die Schulen, die Politik und die verantwortlichen Akteure am Ausbildungsmarkt.
Hinzu kommt: Die Erwartungen junger Menschen verändern sich schneller, als viele Betriebe sich anpassen. Flexible Arbeitszeiten, klare Entwicklungspfade, moderne Arbeitsumgebungen – das sind für die Gen Z keine Sonderleistungen, sondern Basis. Wer das ignoriert, wird den Wettbewerb um Nachwuchs verlieren.
Die Bundesagentur versucht gegenzusteuern, unter anderem durch eine starke Präsenz und frühzeitige Berufsorientierung ab Klasse 8 an den Schulen sowie eine engere Begleitung von jungen Menschen, die Unterstützung benötigen. Statistik hin oder her: Das Grundproblem bleibt bestehen. Die Berufsorientierung an Schulen erhält noch nicht überall die Aufmerksamkeit und Unterstützung, die sie bräuchte, Praxiserfahrungen fehlen, und viele Jugendliche verlassen sich bei ihrer Berufswahl auf Zufall statt auf klare Perspektiven. Jetzt ist es höchste Zeit, gemeinsam zu handeln.
• Die Berufsorientierung an Schulen muss weiter aufgewertet werden
• Wir brauchen Betriebe, die Ausbildung als strategische Investition, nicht als Kostenfaktor behandeln.
• Und wir brauchen politische Rahmenbedingungen, die klar fördern, was funktioniert: niedrigschwellige Praktika, Einstiegsqualifizierungen, wirksame Unterstützungsnetzwerke. Wenn alle Akteure das beherzigen, können wir die duale Ausbildung wieder zu dem machen, was sie sein muss: dem stabilsten Fundament einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft.
