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Wirtschaftskolumne
Handwerk wieder optimistischer – doch Reformen bleiben notwendig

Nicole Ackermann.
Nicole Ackermann.
Nach langer Durststrecke senden einige Handwerksbranchen wieder Zeichen der Zuversicht. Doch das gilt leider nicht für alle. Die Politik ist weiter gefordert.

Geschäftsführerin Kreishandwerkerschaft Ludwigsburg

Das Handwerk in Baden-Württemberg schöpft wieder Zuversicht. Nach einer langen Phase wirtschaftlicher Unsicherheit blicken viele Betriebe optimistischer in die Zukunft. Laut aktuellen Zahlen erwarten nur noch 14 Prozent der Unternehmen im vierten Quartal eine Verschlechterung ihrer Lage – vor einem Jahr waren es noch 21 Prozent. Zugleich rechnen inzwischen 26 Prozent mit einer Verbesserung der Geschäftssituation, ein leichter, aber ermutigender Zuwachs gegenüber dem Vorjahr (23 Prozent).

Auch beim Umsatz hat sich die Stimmung aufgehellt. Während 2023 noch jeder fünfte Betrieb mit rückläufigen Zahlen rechnete, erwarten aktuell nur 16 Prozent eine negative Entwicklung. Fast ein Drittel der Betriebe geht sogar von steigenden Umsätzen aus – ein deutliches Signal für eine beginnende Trendwende.

Trotz dieser positiven Tendenzen warnt der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) vor übertriebenem Optimismus. Viele Betriebe blickten „gedämpft zuversichtlich“ nach vorn. Diese Haltung spiegle vor allem die Hoffnung wider, dass es wirtschaftlich endlich wieder aufwärtsgehe. Damit aus dieser Hoffnung nachhaltiges Wachstum werde, müsse die Politik jedoch entschlossen handeln.

Das Handwerk fordert weniger Bürokratie, mehr Wertschätzung der beruflichen Ausbildung und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen. Besonders die Nachwuchsförderung sei entscheidend: Eine höhere Meisterprämie könne mehr junge Menschen für handwerkliche Berufe gewinnen. Der Fachkräftemangel lasse sich nur mit attraktiven Ausbildungsbedingungen und gesellschaftlicher Anerkennung handwerklicher Arbeit bekämpfen. Darüber hinaus verlangen viele Betriebe eine Entlastung bei Dokumentationspflichten, Genehmigungsverfahren und Berichtspflichten. Zahlreiche Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen beklagen, dass sie immer mehr Zeit mit Verwaltung statt mit ihrem eigentlichen Handwerk verbringen. „Ohne diese Unterstützung wird aus der Hoffnung kein Aufschwung“, warnt der Verband.

Besonders gut entwickelte sich zuletzt das Ausbaugewerbe: Über 70 Prozent der Betriebe meldeten eine gute Geschäftslage – ein Spitzenwert. Auch das Bauhauptgewerbe konnte nach längerer Durststrecke zulegen und belegt mit 64 Prozent positiver Bewertungen Platz zwei unter den stärksten Handwerkszweigen. Ein weiteres erfreuliches Zeichen: Die Zahl der neuen Auszubildenden steigt erstmals seit Jahren wieder leicht an. Viele Betriebe sehen darin eine Investition in die eigene Zukunft und in die Sicherung handwerklicher Qualität im Land.

Deutlich schwächer präsentiert sich dagegen das Handwerk für den gewerblichen Bedarf. Rund jeder vierte Betrieb beurteilt seine Lage als schlecht – bedingt durch die verhaltene Investitionsbereitschaft der Industrie, steigende Energiekosten und internationale Unsicherheiten. Insgesamt zeigt sich ein gemischtes, aber leicht positives Bild: Das Handwerk in Baden-Württemberg hat die Talsohle offenbar durchschritten, bleibt jedoch stark abhängig von politischen Entscheidungen und stabilen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Nur wenn die angekündigten Reformen rasch umgesetzt werden, kann aus vorsichtigem Optimismus ein echter Aufschwung entstehen – und das Handwerk wieder zu jener stabilen Säule werden, die es für das Land stets war.