Geschäftsführer der AOK Ludwigsburg-Rems-Murr
Die Diskussion über dringend notwendige Kosteneinsparungen in unserem Gesundheitssystem nimmt langsam Fahrt auf. Angesichts massiv steigender Ausgaben und knapper Ressourcen wird unter anderem das Primärarztsystem vorgeschlagen. In verschiedenen europäischen Ländern ist es längst ein Erfolgsmodell. Ein näherer Blick darauf lohnt sich.
Wer erkrankt, erwartet schnelle Hilfe und eine kompetente Versorgung. Doppeluntersuchungen und unnötige Krankenhausaufenthalte gilt es dagegen zu vermeiden. Für ein nachhaltig leistungsfähiges Gesundheitssystem braucht es klare Strukturen. Genau dafür steht das Primärarztsystem: Der Hausarzt oder die Hausärztin ist erste Anlaufstelle, steuert die weitere Behandlung und stellt sicher, dass medizinische Leistungen zielgerichtet erbracht werden.
Die AOK Baden-Württemberg setzt seit rund 17 Jahren mit der hausarztzentrierten Versorgung (HZV) sehr erfolgreich auf dieses Modell. Mehr als zwei Millionen Versicherte und ein Großteil der Hausärzte im Land sind eingeschrieben. Damit ist das „Ländle“ bundesweiter Vorreiter und kann wissenschaftlich belegen, dass ein Primärarztsystem nicht nur den Patienten, sondern auch den Finanzen des Gesundheitssystems zugutekommt.
Weniger Doppeluntersuchungen
Hausärztinnen und Hausärzte kennen die Krankengeschichte der bei ihnen behandelten Menschen oft seit Jahrzehnten. Sie können Symptome besser einschätzen, unnötige Diagnostik vermeiden und überweisen nur dann an Spezialisten, wenn es medizinisch geboten ist. Dies entlastet Facharztpraxen und spart erhebliche Kosten. Die koordinierte Behandlung reduziert Mehrfachuntersuchungen und verhindert ineffiziente Parallelstrukturen.
Ein weiterer Vorteil: Versicherte im HZV-System werden nachweislich seltener ins Krankenhaus eingewiesen. Eine frühzeitige Betreuung durch den Hausarzt verhindert schwere Krankheitsverläufe und trägt zu kürzeren Liegezeiten bei, wenn ein stationärer Aufenthalt notwendig ist. Angesichts der hohen Krankenhauskosten ist dies ein wichtiger Hebel für eine stabile Finanzierung unseres Gesundheitswesens.
Auch bei Medikamenten zeigt sich der ökonomische Nutzen. In der HZV haben Hausärztinnen und Hausärzte mehr Zeit für die medizinische Beratung und setzen stärker auf leitliniengerechte Verordnungen. Mehrfachverordnungen, unnötig teure und widersprüchliche Arzneimittel werden vermieden. So lässt sich viel Geld einsparen, ohne Abstriche bei der Qualität der Behandlung.
Planungssicherheit für Praxen
Die HZV stärkt die ambulante Versorgung. Durch verlässliche Rahmenbedingungen und zusätzliche Honorierungsmöglichkeiten erhalten Hausarztpraxen wirtschaftliche Planungssicherheit. Das ist ein entscheidender Faktor, um die Attraktivität der hausärztlichen Tätigkeit zu steigern – gerade in Zeiten, in denen viele Praxen Nachfolger suchen.
Ohne neue Steuerungsmodelle gerät das deutsche Gesundheitssystem immer weiter in gefährliche Schieflage. Einen vielversprechenden Lösungsansatz bietet das Primärarztsystem: Es reduziert Über- und Fehlversorgung, sorgt also für Effizienz, senkt Kosten und entlastet gleichzeitig die hochspezialisierte Versorgungsebene.
Die AOK Baden-Württemberg setzt ihren eingeschlagenen Weg bei der HZV konsequent fort und entwickelt es aktuell in Richtung Primärversorgungszentren weiter.