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Datensoftware
Grüner Widerstand gegen die Polizei-Software von Palantir

Petitionsausschuss zu Palantir-Software
Historische Sitzung: Es handelte sich um die erste Online-Petition, die im Ausschuss verhandelt wurde. Foto: Christoph Schmidt
Petitionsausschuss zu Palantir-Software
Sebastian Müller ist selbst Mitglied der Grünen und im Chaos Computer Club. Foto: Christoph Schmidt
Petitionsausschuss zu Palantir-Software
Die Vertreter des Innenministeriums versichern, dass die Nutzung der Software sicher und rechtskonform ist. Foto: Christoph Schmidt
Die Regierung ebnet den Weg für die Nutzung der Palantir-Software. Aber die Gegner wollen den Kampf gegen das Polizei-Programm nicht aufgeben. Der Widerstand kommt ausgerechnet aus den eigenen Reihen.

Stuttgart. Mit der Nutzung der Datenanalyse-Software des US-Unternehmens Palantir gefährdet der Staat aus Sicht von Kritikern die nationale Sicherheit. «Wir dürfen unsere kritische Infrastruktur nicht von den USA abhängig machen», sagte Sebastian Müller, Mitglied bei den Grünen und im Chaos Computer Club, vor dem Petitionsausschuss des Landtags in Stuttgart. Palantir-Mitbegründer Peter Thiel sei ein erklärter Feind der Demokratie und «in meinen Augen auch ein bekennender Faschist», so Müller. Schon allein das disqualifiziere die Firma als Partner der öffentlichen Verwaltung in einem demokratischen Staat.

Müller hatte eine Online-Petition initiiert und mehr als 13.000 Unterschriften gegen die Nutzung der Software gesammelt, was eine Anhörung im Ausschuss zur Folge hatte. Es handelt sich um die erste Online-Petition, die die Hürde von 10.000 Unterschriften genommen hat und im Ausschuss behandelt wurde. Erst seit Juli können beim Landtag Petitionen online unterstützt werden.

Rasterfahndung per Knopfdruck?

Die Analyseplattform «Gotham» des US-Unternehmens Palantir wurde speziell für Sicherheitsbehörden entwickelt, sie verknüpft auf Knopfdruck Millionen Daten aus unterschiedlichen Quellen. Das soll Ermittlern helfen, die mit immer größeren Datenbergen kämpfen. Das Programm hat dabei nur Zugriff auf Informationen, die die Polizei ohnehin schon gesammelt hat. Die grün-schwarze Koalition hatte nach langem Streit vor der Sommerpause den Weg für die Nutzung der Software frei gemacht. Nächste Woche will der Landtag das Polizeigesetz entsprechend ändern. Andere Bundesländer nutzen die Software bereits.

Für den Petenten Müller wäre die Nutzung von Palantir nichts anderes als eine kontinuierliche Rasterfahndung - das bezeichnet eine Ermittlungsmethode der Polizei, bei der große Datenmengen systematisch durchsucht werden, um verdächtige Personen oder Muster zu finden. Daten aus polizeilichen Datenbanken hätten eine strenge Zweckbindung und dürften nicht anderweitig genutzt und zweckentfremdet werden, kritisierte er. Man wolle Möglichkeiten prüfen, um die geschlossenen Verträge zu kündigen. 

Ministerium sieht keine Alternativen zu Palantir

Die Vertreter des Innenministeriums stellten die Nutzung der Software im Ausschuss hingegen als zwingend notwendig dar. Um Gefahren abzuwehren, brauche es die automatisierte Datenanalyse, sagte Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz. Die IT-Sicherheit und der Datenschutz seien gewährleistet. Die Daten befänden sich in einem gesicherten Rechenzentrum unter Hoheit der Polizei, darauf könne man nicht von außen zugreifen. Man nehme die Bedenken zwar ernst, sagte Hinz. Aber Palantir sei der technologische Marktführer in dem Gebiet, es gebe keine vergleichbaren Produkte, die zeitnah verfügbar seien.

Ausgerechnet aus den Reihen der an der Regierung beteiligten Grünen kommt Kritik. Neben der Petition von Müller haben Grünen-Mitglieder erst vor wenigen Tagen eine Urabstimmungsinitiative gegen die Software beim Landesvorstand eingereicht. Mobilisieren sie fünf Prozent der Mitglieder, folgt eine Urabstimmung. Zieht sich der Streit um Palantir in den aufkommenden Landtagswahlkampf?

Umstrittener Firmengründer

Palantir-Kritiker warnen vor einer ausufernden Verknüpfung von Daten und einer Gefährdung von Persönlichkeitsrechten. Palantir steht aber auch in der Kritik aufgrund des Mitbegründers Peter Thiel. Der Tech-Milliardär ist bekannt für seine libertären und rechtskonservativen Positionen, seine Nähe zu US-Präsident Donald Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien. In Europa sehen viele Thiel deshalb kritisch – ebenso wie die Idee, sicherheitsrelevante Infrastruktur von US-Unternehmen abhängig zu machen. Wahr ist aber auch: Thiel hält heute nur noch einen kleinen Teil am Unternehmen.

Initiator Müller erhofft sich, mit seiner Petition das laufende Gesetzgebungsverfahren noch beeinflussen zu können. Doch seine Chancen sind denkbar gering. Der Petitionsausschuss bemüht sich als Anwalt der Bittsteller darum, Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die den Interessen der Beteiligten gerecht werden. Entscheidungen von Regierung und Verwaltung selbst aufheben oder ändern kann er nicht.

© dpa-infocom, dpa:251106-930-258331/2