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Jahreswechsel
So läuft es in der Silvesternacht in der Notaufnahme

Notaufnahme
In der Silvesternacht herrscht Hochbetrieb in Notaufnahmen. (Symbolbild) Foto: Hauke-Christian Dittrich
Böllerchaos und wüste Beleidigungen: In der Silvesternacht herrscht in der Notaufnahme Ausnahmezustand. Was Ärzte und Pfleger wirklich erleben.

Stuttgart. Abgetrennte Finger, verbrannte Haut, gebrochene Nasen - während die meisten Menschen das neue Jahr mit Sektgläsern begrüßen, beginnt für Florian Dengler die härteste Schicht des Jahres. Der 37-Jährige ist leitender Oberarzt in der Notfallaufnahme des Klinikums Stuttgart. Silvester ist dort Ausnahmezustand - und die arbeitsreichste Nacht des Jahres. Rund 50 Prozent mehr Patienten als in einer durchschnittlichen Nacht würden eingeliefert, berichtet der Mediziner. 

Dengler und sein Team arbeiten dann im Dauerlauf. Von Liege zu Liege, Wunden nähen, Medikamente geben, Verletzte versorgen. Pausen? Fehlanzeige. Man sei schon froh, wenn man auf dem Weg zum nächsten Patienten einen Schluck Wasser trinken oder einmal kurz in ein Brot beißen könne, so der Doktor. Trotz aufgestocktem Personal stößt die Notaufnahme in dieser Nacht regelmäßig an ihre Grenzen.

Böller, Blut und Alkohol

Jedes Jahr dasselbe Bild: Dutzende Verletzungen durch Feuerwerk – von leichten Verbrennungen bis zu schweren Explosionsverletzungen. Im vergangenen Jahr verlor ein Mann zwei Finger, weil er einen Böller in der Hand hielt. Ein Hund fand später einen seiner Finger, abgetrennt am Boden liegend. «Die meisten Menschen unterschätzen, wie arg die Sprengwirkung ist - auch bei zugelassenen Böllern», warnt Oberarzt Dengler. Eine junge Frau verlor durch eine Rakete vor einem Jahr sogar ein Auge.

Doch nicht nur Feuerwerk bringt die Menschen in die Notaufnahme. Die Mediziner müssen auch die Betrunkenen versorgen, die Gestürzten, die Schläger und ihre Opfer. Platzwunden, blaue Augen, ausgeschlagene Zähne. «80 Prozent der Patienten haben Alkohol getrunken», sagt Dengler nüchtern. 

Arzt: «Sind alle ein wenig positiv verrückt»

Trotz allem versucht der Oberarzt, sich den Spaß an der Arbeit nicht nehmen zu lassen. «Wir sind alle ein bisschen positiv verrückt, sonst würden wir uns das nicht antun», so der 37-Jährige. Nur bei aggressiven Patienten vergeht ihm die gute Laune. Immer häufiger würden Pflegerkräfte und Ärzte beleidigt, bedroht oder angegangen, teils mit rassistischen oder sexistischen Sprüchen. «Auch der Sicherheitsdienst wird in der Nacht aufgestockt.»

Gegen Feuerwerk an sich habe er nichts, sagt Dengler. Doch die immer gleichen Verletzungen zermürben. «Im Laufe der Nacht ist man froh, dass nicht jede Nacht Silvester ist.»

Und doch gibt es sie, die besonderen Momente. Einmal war es um Mitternacht überraschend ruhig. So ruhig, dass Dengler mit Kolleginnen und Kollegen auf den Hubschrauberlandeplatz des Klinikums gehen und das Feuerwerk über Stuttgart bestaunen konnte. Die Ruhe währte nur wenige Minuten. «Gleich danach ging es wild weiter.»

© dpa-infocom, dpa:251231-930-482564/1