Marbach. Das Deutsche Literaturarchiv Marbach übernimmt den Vorlass des Publizisten Karl Corino. Sein wissenschaftliches Interesse galt viele Jahrzehnte dem Leben und Werk von Robert Musil. Zudem war er einer der wenigen westdeutschen Literaturkritiker, die sich vom Anfang der siebziger Jahre bis weit in die Nachwendezeit mit der Literatur der DDR auseinandersetzten. In diesem Zusammenhang entwickelte sich Corino zu einem einflussreichen Förderer und Vermittler ostdeutscher Autorinnen und Autoren. Corinos Vorlass enthält vor allem Korrespondenzen, u.a. mit Wilhelm Bartsch, Wolf Biermann, Dieter Borkowski, Heinz Czechowski, Karlheinz Deschner, Horst Drescher, Gabriele Eckart, Wolfgang Hilbig, Sarah Kirsch, Günter Kunert, Reiner Kunze und Natascha Wodin, sowie umfangreiche Materialsammlungen.
Wer Karl Corino ist
Karl Corino, geboren 1942, studierte Germanistik, Altphilologie und Philosophie in Erlangen, Tübingen und Rom. 1969 wurde er mit einer Arbeit zum Frühwerk Robert Musils promoviert, dessen Nachlass er zuvor in Rom zusammen mit seiner Frau, der Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Elisabeth Albertsen, katalogisiert hatte – Grundstein für sein Lebensprojekt, die große Musil-Biografie (2003), bis heute ein Standardwerk. Seit 1970 als Redakteur in der Literaturabteilung des Hessischen Rundfunks tätig und von 1985 an deren Leiter (bis 2002), wurde Corino bekannt durch das von ihm moderierte Magazin ‘Transit – Kultur in der DDR‚ (1973–90): Auf zahlreichen Reisen interviewte er dazu Kulturschaffende der DDR. Schon früh trat er mit eigenen Publikationen in Erscheinung, zuerst mit Gedichten, später u.a. mit Studien über Robert Musil und Thomas Mann sowie als Herausgeber von Büchern wie Genie und Geld (1978) und Autoren im Exil (1981).
Fälschungen auf der Spur
In dem von ihm herausgegebenen Band Gefälscht! Betrug in Literatur, Kunst, Musik, Wissenschaft und Politik (1988) werden 33 Fälle vom Mittelalter bis zur Neuzeit erzählt. Die Gedichte der Julie Schrader entlarvte Karl Corino als Fälschungen des Hamburger Journalisten Berndt W. Wessling. 1995 veröffentlichte Corino Die Akte Kant. IM „Martin“ die Stasi und die Literatur in Ost und West, worin er sich mit dem DDR-Autor Hermann Kant und dessen Stasi-Verbindungen auseinandersetzte. Für Aufsehen sorgte darüber hinaus seine Rekonstruktion des Lebenslaufs von Stephan Hermlin Außen Marmor, innen Gips (1996). Zu diesen Themen finden sich u.a. im Nachlass seine materialreichen Recherchen. Karl Corino wurde u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande (2003) ausgezeichnet.