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Wahl
Mehrkampf um den Bürgermeisterposten

Fünf von sechs Kandidaten stellen sich in der Stadthalle den Gerlinger Bürgern (von links): Reinhard Riesch, Samuel Speitelsbach, Dirk Oestringer, Martina Koch-Haßdenteufel und Ulrich Raisch. Martin Mertz muss wegen einer Erkältung passen. Foto: Holm
Fünf von sechs Kandidaten stellen sich in der Stadthalle den Gerlinger Bürgern (von links): Reinhard Riesch, Samuel Speitelsbach, Dirk Oestringer, Martina Koch-Haßdenteufel und Ulrich Raisch. Martin Mertz muss wegen einer Erkältung passen. Foto: Holm Wolschendorf
Das Interesse an der Wahl des neuen Gerlinger Bürgermeisters ist gewaltig. 1200 Menschen kommen zur ersten Kandidatenvorstellung in die Stadthalle. Sechs Bewerber treten an – nicht alle haben Siegchancen.

Gerlingen. Die Stadthalle ist am Dienstagabend bis auf den letzten Platz gefüllt. Jeder Kandidat bekommt zehn Minuten für seine Vorstellung, danach weitere zehn, um Fragen aus dem Publikum zu beantworten, die im Übrigen harmlos ausfallen. Die Reihenfolge des Auftritts wird gelost, die anderen Bewerber aus dem Saal geführt. Sie hören nicht, was die Konkurrenz zu sagen hat.

Das bekannteste Gesicht im Gerlinger Sechskampf dürfte Martina Koch-Haßdenteufel sein. Die 49-jährige Mutter einer Tochter gehört seit 20 Jahren zur Brennerschen Führungsriege im Rathaus, wo sie seit zehn Jahren Beigeordnete ist. Die Verwaltungswirtin zeichnet verantwortlich für die Stadtfinanzen, das Amt Jugend, Familie und Senioren sowie die Bürgerdienste. Sie vertritt zudem den Schultes. Als Chefin von 232 Mitarbeitern sieht sie sich selbst als Motivatorin.

Gerlingen sei ihr und ihrer Familie seit 35 Jahren Heimat. Die Infrastruktur sei attraktiv, es gebe aktive Vereine, Kirchen, Institutionen sowie viele Menschen, die sich einbrächten. „Sie machen Gerlingen zu etwas Besonderem“, so Koch-Haßdenteufel und zu ihrer Partei, so die parteilose Bewerberin. Sie wolle das Ehrenamt stützen, den Zusammenhalt stärken und die Menschen in Entscheidungen einbinden. „Es stehen große Sanierungsvorhaben an“, so Koch-Haßdenteufel – aber es gehe auch um Klima- und Artenschutz sowie ein nachhaltiges Gerlingen. Das Verkehrsaufkommen müsse reduziert, der öffentliche Nahverkehr attraktiver und das Radwegenetz ausgebaut werden. Sie stehe für eine seriöse Finanzpolitik. Außerdem trete sie für bezahlbaren Wohnraum ein. Die Spitzenposition Gerlingens in der Region müsse gewahrt und ausgebaut werden. Mit ihrer Erfahrung sei sie die Garantin für Konstanz.

Koch-Haßdenteufel kündigte zudem ein neues Jugendhaus an, wie auch Seniorenwohnungen, moderne Spielplätze und geeignete Trainingsmöglichkeiten für Sportler. Ein Highlight wäre für sie ein Treffpunkt im Alten Rathaus.

Ihr schärfster Konkurrent wird wohl der 33-jährige Dirk Oestringer sein. Er studierte Jura und Betriebswirtschaft, war persönlicher Referent des Sindelfinger Oberbürgermeisters und leitete dort eine Stabsstelle mit 15 Mitarbeitern. Aktuell ist der Stuttgarter als Kommunalberater tätig. Er baut auf ein vertrauensvolles Miteinander von Gemeinderat, Verwaltung und Bürgern. Er sei unabhängig, führungsstark und teamfähig. Oestringer wolle die positive Entwicklung der Stadt fortführen und stärken. „Gerlingen steht vor großen Aufgaben“, setzt der Kandidat seine Schwerpunkte auf die schwierige Verkehrslage, den angespannten Wohnungsmarkt, die Digitalisierung und die Auswirkungen des Klimawandels. „Diese Themen werden die Kommunalpolitik in den kommenden Jahren beschäftigen.“ Das könne nur miteinander und durch eine entschlossene Stadtspitze positiv gestaltet werden.

Natürlich ist auch Ulrich Raisch wieder dabei – und ein Kandidat aus Ravenstein, der König werden will

Oestringer strebt unter anderen einen Mobilitätsmix und ein Verkehrsleitsystem an, um den Parksucherverkehr zu minimieren. Er werde gegen einen weiteren Autobahnanschluss kämpfen. Beim Ziel „bezahlbares Wohnen“ könne man sich nicht ungebremst ausdehnen. Natur und Landwirtschaft müssten geschützt werden. Die Stadt müsse Grundstücke aufkaufen, um die Baulandpreise positiv zu beeinflussen. Durch Digitalisierung könne der Bürgerservice verbessert werden, ohne dadurch den persönlichen Kontakt zu verlieren, nannte er als Beispiele.

Der Dritte im Bunde ist Reinhard Riesch. Der Agraringenieur ist in der Umgebung aufgewachsen. Er ist 61 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Für kurze Zeit war er Bürgermeister von Weissach, danach Fachgutachter für Kommunen und Behörden in Fragen des Naturschutzes. Seit zehn Jahren betreibt der Kandidat einen Obst- und Gemüseladen im Stuttgarter Westen.

Als Bürgermeister wolle er die Gemeinschaft und eine beratende Partnerschaft mit den Bürgern pflegen. Wichtig sei ihm die Entwicklung der Stadt. Der dörfliche Charakter, gepaart mit Traditionen und Internationalität, müsse erhalten werden. „Ich werde für Gerlingen da sein“, so Riesch. Er baue auf gesunden Menschenverstand, der wichtig sei wie Fachkenntnis. Das Rathaus müsse das Vertrauen der Bürger genießen. Die Stadt Gerlingen habe weitreichende Planungsbefugnisse, die es auszuschöpfen gelte. Neben dem Verwalten wolle er Entwicklungen erkennen, versprach Riesch in der Stadthalle.

Und da ist noch das nimmermüde CDU-Mitglied Ulrich Raisch mit seinem „Modell deutscher Möglichkeiten“ und seiner Vision eines Musikkindergartens als Basis für eine menschenfreundliche Gesellschaft. Der 58-jährige Pädagoge stellt sich am 1. Dezember zeitgleich in Gerlingen und Brackenheim zur Wahl. Es sind seine Anläufe 46 und 47 in elf Jahren. In Gerlingen scheiterte Raisch zuletzt 2015.

Ausgebuht wurde Samuel Speitelsbach, 32, aus Ravenstein mit seinen kruden und zusammenhanglosen Wirtschaftsmodellen. Auch er ist Vielfachbewerber, Provokateur und möchte König der Stadt werden. Der Gerlinger Martin Mertz, Jahrgang 1968, Maurer und geprüfter Polier, fehlte. Er lag mit einer Erkältung im Bett.