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Improvisationstheater
Ein Appell für mehr Zivilcourage

Julia (Laura Pletzer) und Max (Tobias Wagenblaß) sind eigentlich dicke Freunde. Doch ihre Beziehung bekommt plötzlich einen tiefen Riss. Foto: Holm Wolschendorf
Julia (Laura Pletzer) und Max (Tobias Wagenblaß) sind eigentlich dicke Freunde. Doch ihre Beziehung bekommt plötzlich einen tiefen Riss. Foto: Holm Wolschendorf
„Am Limit“, so lautet der Titel des neuen Stücks von Q-Rage aus Ludwigsburg, das sich an Schüler ab Klasse acht richtet. Bei dem interaktiven Theaterstück dreht es sich um Mobbing und Ausgrenzung.

Die Generalprobe hat vor kleinem Publikum im Demokratischen Zentrum in der Wilhelmstraße stattgefunden. Ein ganz besonderes Erlebnis war das für Conni und Norbert Wacker aus Esslingen. Sie haben das Theaterstück in Auftrag gegeben. Finanziell gefördert worden wird dieses Projekt vom Verein Herzenssache. Lena, die Tochter des Ehepaars Wacker, ist am 9...September 2015 in Stuttgart ermordet worden. Sie war gerade 21 Jahre alt. In Erinnerung an ihr Schicksal haben die Eltern den Verein „Ein Stern für Lena – Gegen Gewalt“ gegründet. Dieser will für das Thema Gewalt sensibilisieren, Strategien zur Deeskalation vermitteln und für Zivilcourage werben.

„Auch unsere Tochter war mutig und hat sich für andere Menschen eingesetzt“, erzählt Conny Wacker. Ihrem Mann und ihr sei es ein wichtiges Anliegen, sich gegen Grenzverletzungen, Mobbing und Gewalt einzusetzen. „Wir wollen Kinder stärken, damit sie auch in schwierigen Situationen Rückgrat zeigen können“, ergänzt Norbert Wacker. Ihm sei durchaus klar, dass seine Frau und er nicht die Welt retten könnten. „Wir wollen die Zuschauer zum Nachdenken anregen“, sagt er.

Dass sie sich für das Mittel des Theaters entschieden haben, kommt nicht von ungefähr. Conny Wacker ist Theaterpädagogin und in der Jugendhilfe tätig, Norbert Wacker ist Sonderschullehrer. Sie machen keinen Hehl aus ihrem großen Leid, das sie durch die Ermordung ihrer Tochter erlebt haben, sagen aber auch, dass sie froh und stolz sind, das Projekt „Am Limit“ begleiten zu können.

Seit mehr als zehn Jahren ist die Theatergruppe Q-Rage mit Präventionstheaterstücken an Schulen in ganz Baden-Württemberg unterwegs. Für „Am Limit“ haben die beiden Theatergründer und Regisseure Sandra Hehrlein und Jörg Pollinger mit dem Konflikttrainer Stefan Bettels zusammen gearbeitet. Erzählt wird die Geschichte von Julia (Laura Pletzer), die mit ihrem Mitschüler Max (Tobias Wagenblaß) befreundet ist. Als eine neue Mitschülerin gemobbt wird, vertraut Julia sich einer Lehrerin an – und wird plötzlich selbst gemobbt und als Petze beschimpft. Max muss sich entscheiden, ob er zu Julia stehen will oder sich an der Ausgrenzung beteiligen will. Die Bühnenhandlung wird immer wieder unterbrochen, die jugendlichen Zuschauer nach ihrer Meinung gefragt. So erhalten sie die Möglichkeit, das Gesehene zu reflektieren. Ist es Petzen, wenn man eine andere Person ins Vertrauen zieht und Hilfe holt? „Wenn man jemandem mit dem Petzen hilft, dann ist es gut“, liefert Schauspieler Tobias Wagenblaß die Antwort. „Ich habe mich als Julia ganz allein und wie ohnmächtig gefühlt“, erzählt Laura Pletzer über eine Situation in dem Stück, in der Mitschüler ihr das Tagebuch stehlen und daraus vorlesen. Das Geschehen auf der Bühne wird durch Videosequenzen ergänzt. Die Schulszenen sind übrigens in der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Kornwestheim gedreht worden.

Sowohl der Wechsel der Medien als auch die interaktiven Sequenzen haben sich bei den Theaterstücken von Q-Rage als Mittel bewährt, die Aufmerksamkeit der Jugendlichen wach zu halten. „Gleichzeitig werden sie dazu aufgefordert, mitzudenken und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, so die Theaterpädagogin Sandra Hehrlein. Jörg Pollinger und ihr gelingt es immer wieder, die Handlungen nahe an der Lebenswelt der Jugendlichen anzusiedeln – ohne erhobenen Zeigefinger.

Bestandteil des Projektes ist die Nachbereitung des Theaterstücks. Konflikttrainer Stefan Bettels wird mit den Jugendlichen zu den Themen Empathie, Abgrenzung, Zivilcourgage und zum Umgang mit Beleidigungen arbeiten.

„Das Stück wird einige Jahre laufen“, ist Sandra Hehrlein überzeugt. In Esslingen ist das Stück bereits gezeigt worden und gut angekommen. Im Kreis Ludwigsburg wird „Am Limit“ erstmals am 30. April zu sehen sein, und zwar im Jufo in Möglingen.