1. Startseite
  2. Lokales
  3. Wirtschaft
Logo

Wirtschaftskolumne
Rentensystem steht am Scheideweg

Stephan R. Wolf.
Stephan R. Wolf. Foto: GALLAS
Ein „Weiter so“ in der Rentenpolitik kann nicht ewig funktionieren. Drei konkrete Maßnahmen würden die Situation verbessern.

Direktionsleiter Telis Finanz AG

1982 habe ich meinen Beruf begonnen und damals war Norbert Blüm Arbeitsminister unter Kanzler Helmut Kohl. Blüms geflügelte Worte „Die Rente ist sicher“ sind heute noch allen im Gedächtnis, die damals keine Kinder mehr waren. Leider hat Norbert Blüm mit diesem Paradigma einen großen Fehler gemacht. Er hat nämlich dafür gesorgt, dass die Politik sich zurückgelehnt und keinen Reformbedarf gesehen hat. Die Wissenschaftler haben damals schon in aller Deutlichkeit auf den demografischen Wandel hingewiesen und gemahnt, dass ein reines Umlageverfahren schon wenige Jahre später an seine Grenzen stößt. Die Beiträge der Arbeitnehmer reichen schon seit Jahrzehnten nicht mehr, um die Renten zu finanzieren. Der kaum vorstellbar große Betrag von 140 Milliarden Euro pro Jahr aus dem Staatshaushalt zur Stützung der Rentenkassen macht das mehr als deutlich. Immer wieder wurde über eine – zumindest teilweise – kapitalgedeckte Komponente der Altersvorsorge gesprochen, aber bis heute ist nichts in dieser Richtung passiert. Dass die Jungen in der CDU jetzt gegen ein „immer weiter so“ revoltieren, ist nicht nur verständlich, sondern überfällig. Die Haltelinie von 48 Prozent – mit Verlaub, das ist auch schon weniger als die Hälfte des aktiven Einkommens – kann nicht gehalten werden. Und das ist seit meiner Ausbildung allen bekannt, die das System verstanden haben.

Ich frage mich seit Jahrzehnten, wie die Politik so einfältig sein kann, sich über alle wissenschaftlichen Ratschläge permanent hinwegzusetzen und das Problem größer und größer werden zu lassen. Es wird damit auch eine soziale Ungerechtigkeit verschärft, die ich als sehr gefährlich einstufe.

Während sich ein Teil der Bevölkerung, wie zum Beispiel meine Mandanten, mehr oder weniger problemlos eine ordentliche private Altersvorsorge aufbauen können, ist dies vielen Menschen verwehrt, weil sie schlichtweg heute schon finanziell nicht über die Runden kommen.

Dass es auch ignorante Menschen gibt, die es sich leisten könnten vorzusorgen, aber dennoch im Hier und Jetzt alles verkonsumieren, ist tragisch, aber da habe ich kein Mitleid.

Für mich gibt es drei konkrete Forderungen: 1. Den Bundesbürgern klipp und klar sagen, dass das heutige Rentensystem nicht zukunftsfähig ist. 2. Für die Finanzbildung sorgen, dass die Menschen verstehen, welche unterschiedlichen Formen der privaten Vorsorge (Versicherungen, Immobilien, Kapitalaufbau usw.) es gibt. 3. Staatliche Anreize schaffen, dass diese Formen der privaten Vorsorge breite Bevölkerungsschichten motivieren, für sich was zu tun. In jedem Fall ist es falsch, die Leute weiter im Ungewissen zu belassen. Mehr brauche ich heute dazu an dieser Stelle nicht sagen und ich wünsche Ihnen: Bleiben Sie zuversichtlich.