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Martinskirche
Kosten für die Turmsanierung explodieren

Der 35 Meter hohe Turm der Martinskirche ist komplett eingerüstet. Das Gefach mit den Buchstaben ist historisch und muss erhalten werden. Bei der Verzierung muss man sehen, wie das Holz dahinter aussieht. Die Gefache an der Westseite sind entfernt, e
Der 35 Meter hohe Turm der Martinskirche ist komplett eingerüstet. Das Gefach mit den Buchstaben ist historisch und muss erhalten werden. Bei der Verzierung muss man sehen, wie das Holz dahinter aussieht. Die Gefache an der Westseite sind entfernt, erst jetzt wurde das ganze Ausmaß der Schäden erkennbar. Foto: Ramona Theiss
Die Schäden durch Pilzbefall sind mit bloßem Auge zu erkennen.
Die Schäden durch Pilzbefall sind mit bloßem Auge zu erkennen.
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Dieter Ries ist erschüttert: „Mit dieser Summe haben wir nicht gerechnet.“ Die Sanierung des Wehrturms an der Martinskirche wird nun auf 431.000 statt 290.000 Euro geschätzt. Die evangelische Kirchengemeinde ist auf weitere Spenden angewiesen.

Affalterbach. Wenn Dieter Ries noch Haare hätte, hätte ihn die Martinskirche sicherlich einige graue mehr beschert. Ries ist Vorsitzender des evangelischen Kirchengemeinderats und im Freundeskreis Martinskirche engagiert, der mit den verschiedensten Veranstaltungen Geld für die sanierungsbedürftige Kirche sammelt. In einem ersten Schritt wurde der Holzdachstuhl der Kirche saniert. Dabei kamen auch die Schäden am 35 Meter hohen Wehrturm aus dem 11. Jahrhundert ans Licht.

Nachdem die Kirchengemeinde die Hälfte der zunächst geschätzten 290.000 Euro für die Sanierung des Turms zusammen hatte und sich auch nicht abzeichnete, dass die Konjunktur nachlässt und die Baupreise sinken, wurde vor drei Wochen das Gerüst aufgestellt. „Es fielen auch immer wieder kleine Brocken aus den Gefachen an der Westseite des Turms heraus. Wir konnten nicht länger warten“, sagt Ries. Doch je mehr die Experten vom Fachwerk freilegten, umso mehr Schäden kamen ans Licht. „Das hat man von außen bei der Besichtigung nicht gesehen“, betont Architektin Sandra Huth vom Ingenieurbüro Grau bei einem Termin.

An der Westseite – der Wetterseite – sind die Gefache inzwischen entfernt und geben den Blick auf das ganze Ausmaß der Schäden frei. Selbst Laien erkennen mit bloßem Auge die Spuren am Holz durch den Pilzbefall. „Der weiße Pilz zersetzt das Holz und es wird mit der Zeit mürbe“, erklärt Patrick Haiber vom auf Denkmalschutz spezialisierten Gebäudesanierer Saur aus Neckarsulm. Das Holz wird durchlässig, die Anschlüsse der Gefache passen nicht mehr, es bilden sich Fugen, es kann Wasser eindringen. Je mehr Feuchtigkeit im Gebälk ist, umso mehr breitet sich der Pilz aus. Irgendwann ist die Fachwerkkonstruktion nicht mehr tragfähig. „Man sieht auch an den verrosteten Stahlwinkeln, dass Wasser eingetreten ist“, erklärt Haiber.

Wobei diese Stahlwinkel nicht original sind und wahrscheinlich von einer Sanierung in den 60er-Jahren stammen. Normalerweise wird bei Fachwerkkonstruktionen nur mit Holz gearbeitet, die Verbindungen mit Holznägeln hergestellt. 1967 habe man die Blechverkleidung vom Turm entfernt, erinnert sich Dieter Ries. Wahrscheinlich habe man damals schon das Fachwerk ausgebessert. Er erinnert sich noch gut daran, dass die Gymnastikdamen vom TSV ein Fußballspiel gegen Weiler zum Stein ausgetragen hatten, um Spenden zu sammeln. „Damals war Frauenfußball vom DFB eigentlich noch verboten“, erzählt er.

Wahrscheinlich war das Fachwerk ursprünglich auch nicht als Sichtfachwerk ausgelegt, sondern war verputzt. Der Putz diente als Schutz gegen die Feuchtigkeit, weshalb die meisten Türme verputzt waren. Rillen im Holz sprechen dafür. „Das hat man damals gemacht, damit der Putz besser am Holz haftet“, erklärt Huth.

Verformungen und Verschiebungen in der Konstruktion führen außerdem dazu, dass die Fachwerkkonstruktion nicht mehr tragfähig ist und man handeln muss. Rund 40 bis 45 Prozent des Holzes müssen ersetzt werden, vermutet Huth.

Die hohen Kosten resultieren zum einen aus den Baupreisen am Markt allgemein, zum anderen daraus, dass beim Turm viel Eichenholz verwendet wurde. Sogar die Eckpfosten mit einem Querschnitt von 40 auf 40 Zentimeter und einer Länge bis zu vier Metern sind aus Eiche. Das Holz ist schwer zu bekommen und somit auch teuer. „Man muss aber wegen des Denkmalschutzes Eiche durch Eiche ersetzen und außerdem ist Eichenholz wetterbeständiger, robuster und tragfähiger“, weiß Huth.

Eine spektakuläre Aktion wird auch der Austausch der Eckbalken. Zunächst muss das Fachwerk abgestützt werden, dann müssen die langen Hölzer mit dem Kran möglichst nahe an den Turm herangebracht werden. Um die Pfosten von Hand einzusetzen, braucht es zwei starke Männer, weiß Haiber. Ob die Verzierungen am Eckpfosten an der Ostseite erhalten werden können, ist noch nicht klar. „Vielleicht kann man nur den hinteren Teil des Pfostens erneuern und dann die Holzplatte mit der Verzierung wieder aufbringen“, hofft die Architektin. Denn die Devise im Denkmalschutz lautet immer: So viel wie möglich erhalten. Erst dann wird ausgebessert oder komplett ausgetauscht. „Das wird nach und nach entschieden, wenn es freigelegt ist“, erklärt Huth.

Die Gefache selbst müssen nicht erhalten, sondern können entsorgt werden, da sie nicht historisch sind. Bis auf eines an der Ostseite. Dies erkennt man am Kalkputz mit großen Körnern. Das Gefach hat zudem eine Bemalung. „Es könnte MB 26 ZZ heißen“, rätselt Huth. Genaueres wisse man noch nicht. Auch nicht, ob es tatsächlich aus dem Jahr 1671 stammt, wie die Jahreszahl auf einem anderen Gefach suggeriert. Ein Restaurator hat sich das Gefach angeschaut und wird es nun näher untersuchen.